Kreiszeitung: Die Suche nach der neuen Weyher Identität

Die Suche nach der neuen Weyher Identität

Sigi Schritt

 

Weyhe - Was war das für ein gewaltiger Hammerschlag, als 1981 die Zeitschrift Geo in der ersten Deutschland-Reportage Weyhe beleuchtet hatte und damals nicht mit Kritik sparte: Er ist noch bis heute zu spüren. Baudirektor Steffen Nadrowski nahm bei der jüngsten Abendveranstaltung, die ein Weyher Experiment ist, sogar darauf Bezug. Viele ältere Weyher erinnerten sich, dass der Abrissbagger in der Nachkriegszeit oft nach Weyhe fuhr. Die Wesergemeinde habe Stein für Stein an Identität verloren, wurde auf 23 Seiten deutlich. Das Magazin hielt Politik und Verwaltung den Spiegel vor die Nase. Die Abrissbirne zerstörte viele schöne und ortsbildprägende Gebäude – sie sind nur noch in den Dia-Vorträgen des Gemeindearchivars Wilfried Meyer zu sehen.

 

Exakt 20 Jahre nach dieser Veröffentlichung hatte die Kreiszeitung den Gemeindearchivar gefragt, ob die Politik daraus gelernt hätte – er schüttelte damals den Kopf. Und nun, fast zwei weitere Jahrzehnte später? Ohne einen konkreten Anlass hat sich die Gemeinde nun eines schwierigen Themas angenommen: Sie will eine Antwort auf die Frage finden, wie das Ortsbild der Zukunft aussieht (wir berichteten). Das bewertet Wilfried Meyer grundsätzlich positiv. Er saß am Dienstagabend als einer von rund 100 Bürgern im Ratssaal und verfolgte beim Auftakt einer geplanten Veranstaltungsreihe die Diskussion. Er überließ aber anderen die Wortbeiträge.

 

Wer Meyer kennt, ahnt, weshalb. Für ihn fängt die Kulturgeschichte vor der Haustür an. Der ehemalige Oberkommissar der Bremer Polizei dokumentierte mit seiner Kamera in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur viele Weyher Häuser, sondern auch Ackerflächen bis zum Horizont, grasende Kühe und Treffpunkte einer Dorfgemeinschaft. Fotos können Entwicklungen aber nicht aufhalten. Die Kritik, die heute Bürger konkret äußern, beweisen, dass die Warnungen von Meyer damals wie heute ernst zu nehmen sind. Eine Zuhörerin, die in den 80er-Jahren in Weyhe aufgewachsen und dann weggezogen sei, erkenne ihren beschaulichen Ort von damals nicht wieder, sagte sie am Dienstagabend. „Jetzt finde ich nichts mehr schön.“ Sie führte als Beispiel die Dorfstraße in Kirchweyhe an. Sie sei mal von Bauernhöfen geprägt gewesen. „Jetzt stehen dort acht Würfel drauf.“ Weitere Zuhörer beschrieben, was ihnen in Weyhe grundsätzlich missfällt. An anderen Stellen sehe man in Weyhe Lego-Häuser. Die Zuhörer waren über lange Strecken weit davon entfernt zu sagen, was sie künftig für Weyhe wollen. Konkret äußerten sie aber, was sie nicht möchten. Ein Zuhörer beschrieb zum Beispiel chaotische Zustände auf der Hagener Straße. Auf dem Areal eines Landwirts seien mehrere Häuser sehr dicht an die Straße gebaut worden. Er befürchtet, dass die Bewohner der Wohneinheiten ihre Autos auf der Straße parken. Wohin das führt? Autos und Lastwagen fahren bereits jetzt regelmäßig über den Fußweg – ein Weg übrigens, den viele Kindergartenkinder und Schüler benutzen. Für den Zuhörer werde es unweigerlich zu einer „Katastrophe“ mit Ansage kommen. Außerdem machte eine Kirchweyherin ihrem Ärger Luft: An der Bahnhofstraße / Ecke Lahauser Straße gebe es ein Mehrfamilienhaus mit Praxisräumen, das vor dem Gebäude nur Parkplätze – 14 an der Zahl – enthält und keinen Baum. Das sei ein Unding.

 

Überhaupt möchten weitere Bürger mehr Grün in ihren Ortsteilen sehen. Diese Frage treibt sicherlich manche um: Was passiert, wenn ein älterer Nachbar stirbt, ein sanierungsbedürftiges Haus auf großem Grund hinterlässt und die Erben keine Lust haben, Haus und Grund zu übernehmen? Es laufe immer nach dem gleichen Schema ab: Ein

Siedlungshaus auf einem 1400 bis 1800 Quadratmeter großen Grundstück wird von einer Baugesellschaft gekauft, die auf diesem Areal ein Mehrfamilienhaus errichtet – meist ein Quader mit Staffelgeschoss obenauf. Manche Bauten passen aber nicht in die Umgebung, kritisierte ein anderer Zuhörer. Sie wirken wie Fremdkörper. So etwas müsse verhindert werden. Wie das neue Ortsbild aussehen soll, weiß das Rathaus-Team weiterhin nicht. Aber es ist schon ein Stück weiter gekommen, so Steffen Nadrowski. Er will zusammen mit Gerd Reesas von einem Bremer Büro für Stadtplanung am Ende der Veranstaltungsreihe wissen, wie ein Leitbild aussehen könnte, nach dem sich die Gemeinde richten könnte. So schlug Nadrowski schlug zum Beispiel vor, Bebauungspläne zu überarbeiten und einige sogar eigens dafür aufzustellen, wenn in einem Gebiet nur ein bis zwei Grundstücke betroffen sein könnten. Eingriffe in Eigentumsrechte müssen stets gerechtfertigt sein, mahnt Nadrowski.

 

Bauliche Fehler der Vergangenheit könne man nicht ungeschehen machen. Schon das Geo-Heft erkannte damals, dass es viele profitorientierte Akteure gab, die zur Verschandelung des Ortsbildesbeigetragen hatten. Das Heft spricht nur von Tätern und einer endlosen Kette von Handlangern und den ersten Flachgebäuden eines Legolandes: „Dem eigenwilligen Geschmack des jeweiligen Bauherren und Architekten sind weder durch das Bundesbaugesetz noch durch die Kommunalaufsicht landschaftsorientierte Grenzen gesetzt.“ Das will Nadrowski ändern – mit Hilfe der Bürger.