Die Frachtstücke

Geschichtsgruppe K. Hahn/W. Polley/P. Athmann
 
Woraus bestanden nun die Waren, die die Leester und Brinkumer Fuhrleute verteilten? Schauen wir uns die Ladung eines verunglückten Wagens bei Neustadt an, der im Jahre 1669 nach Hannover unterwegs war:47

  • 4 Tonnen Hering
  • 1 Faß Tran  
  • mehrere frische („grüne“) Lachse 
  • 5 Fässer und 4 Stapel Käse
  • Ein Ballen Tuch
  • Weitere in Sackleinen verpackte Ballen
  • 8 Teile unbekannten Inhalts
  • 2 kleine Päckchen

Daraus erkennt man, dass neben den Waren der Kaufleute auch kleinere Päckchen transportiert wurden, was darauf schließen läßt, dass die Fuhrleute auch als „Postboten“ unterwegs waren.


Hering und Fisch aller Art gehörte sicher zu den Hauptgütern, die vom Bremer Hafen ins Binnenland gebracht wurden. Auch landwirtschaftliche Produkte, insbesondere aus der Milchwirtschaft, waren begehrte Spezialitäten im Binnenhandel. Später kamen Kolonialwaren aus dem Überseehandel hinzu (Kaffee, Tee, Gewürze etc).


Aus einer Statistik der Frachtmengen des Bremer Handels in verschiedene Städte:48

Im Jahr 1847 kommen in Bremen insgesamt 149173 Pfundschwer zur Verfrachtung  per Achse ( 1 Pfundschwer=308 Pfund= 154 Kilogramm), daran sind 1703 Fuhren der „Leister“ bei 2972 Fuhren Fremder beteiligt.

 

Auf dem Rückweg werden andere Waren nach Bremen oder das Bremer Umland transportiert. Von Hannover werden z.B. hauptsächlich Getreide (Weizen und Roggen) zurückgebracht. Da die Wagen aber meist nicht voll sind, nimmt man zur Zeit der Auswanderung nach Amerika auch gerne das Reisegepäck und die Ausreisewilligen selbst mit nach Bremen. Im Frühjahr nehmen auch die Ziegler aus dem Lipperland die Gelegenheit wahr und fahren mit einem Frachtfahrer in Richtung ihrer Ziegeleien in den Marschgebieten der Weser, auch nach Weyhe.

 

Einen besonderen Auftrag erhält Frachtfahrer Claus Schulte um 1835: Er soll mehrere Kisten mit den Einzelteilen der Lokomotive "Pfeil" von Bremerhaven nach Nürnberg bringen. Die "Pfeil" wurde in England gebaut und ist die Schwesterlok des berühmten "Adlers". Sie soll von der Ludwigsbahn auf der ersten deutschen Eisenbahn-Strecke zwischen Nürnberg und Fürth eingesetzt werden. In Angelse bricht beim Transport einer der mit den schweren Kisten beladenen Wagen zusammen und wird mit Hilfe von Hafenarbeiteren aus Bremen umgeladen auf einen anderen Wagen.50 


Ein Nachbau der berühmten Lokomotive „Adler“  im Nürnberger Bahnmuseum – vor einem ICE 3. Die Schwester des Adlers namens Pfeil  war ein außergewöhnlicher Transport der Leester Fuhrleute.51
 
Dieser Transport bietet neben der außergewöhnlich schweren Fracht noch ein anderes Kuriosum: Die  Frachtfahrer „schaufeln ihr eigenes Grab“, denn mit ihrer Hilfe wird die Eisenbahntechnik aufgebaut, die dann das Ende der Frachtfuhrwesens einläutet.