Die Übernahme der Grafschaft Hoya

Paul Athmann

Weyhe, September 2021

 

Als 1501 der letzte Graf Friedrich II. der Hoyaer ‚Niedergrafschaft‘ stirbt, entsteht Streit über die Lehenshoheit der Niedergrafschaft. Kaiser Maximilian beansprucht die Grafschaft als Reichslehen und vergibt sie an die Herzöge von Lüneburg (Herzog Heinrich der Mittlere von Braunschweig und Lüneburg). Das wiederum gefällt dem Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg nicht, der ebenfalls Ansprüche auf die Grafschaft erhebt. Nachdem Graf Jobst I. 1504 das Lehen vom Herzog Heinrich entgegengenommen hat und der noch unmündige Sohn Jobst II. 1507 nach dem Tod seines Vaters die Grafschaft geerbt hat, macht Herzog Magnus ihm große Versprechungen und bewirkt dadurch, dass der junge Graf ihn als Lehensherrn ansieht, nachdem dieser 1511 mündig geworden war. Das veranlasst Herzog Heinrich den Mittleren, 1512 in die Grafschaft einzufallen und Graf Jobst II. zu vertreiben. Es wird ein sog. „Eroberungsvertrag“ geschlossen, in dem festgelegt wird, dass der junge Graf Jobst II. alle Lehen verliert. Erst nach 7 Jahren Exil beim Grafen Edzard von Ostfriesland gelangt Jobst wieder in den Besitz der Grafschaft, die er nun erneut als Lehen von Herzog Heinrich erhält, unter Zahlung von 36000 Goldgulden. In den ersten Regierungsjahren des Jobst II. und in den 7 Jahren, die die Niedergrafschaft von Beamten des Herzogs verwaltet wurde, ist eine große Schuldenlast (164000 Taler) entstanden. Um diese zu begleichen, bewilligen die Landstände die Erhebung einer Steuer, den sogenannten Pflugschatz. Dazu wird ein Register angelegt, in dem alle Höfe, die 1519 zur Grafschaft Hoya gehören, aufgeführt sind (Pflugschatzregister).1

 

Herzog Heinrich I. der Mittlere von Braunschweig-Lüneburg (+ 1532) 2

Durch die Einführung der Reformation ab 1522 in Bremen und 1527 in der Grafschaft Hoya wird auch das Lehensystem der Kirche ziemlich durcheinander gewürfelt: Die Klöster in Bremen und Hude werden zerstört, die Güter des Klosters Heiligenberg und Bücken werden vom Hoyaer Graf eingezogen, die Klöster Bassum und Heiligenrode werden lutherisch.

 

Im Zuge der Frontenbildung zwischen den Katholiken und dem lutherischen “Schmalkaldischen Bund” ernennt Kaiser Karl V. Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg zum ‚Konservator, Exekutor und Schirmherrn‘ der Stifter Bremen und Verden. Dies erfolgt zum Schutz gegen den Schmalkaldischen Bund. Die Leester Bauern müssen daher 1536, wie alle anderen Stände im Erzbistum auch, dem neuen Herren in Bremen huldigen: Eine Abordnung von Bauern aus Leeste und Umgebung unter Führung von Carsten Behrens und Albert Arens erneuern die Zehntpflicht in Bremen. Die Abgaben betragen 100 Scheffel Roggen jährlich – wie vorher.

 

Im Namen Kaiser Karls V. sammeln sich 1539 bei Hoya (unter Führung Herzog Heinrichs d. Jüngeren von Braunschw.-Lün.?) ca. 9000 Landsknechte. Sie sollen Bremen angreifen, werden aber vom Schmalkaldischen Bund abgeworben und aufgrund des Waffenstillstands am 19.4. entlassen. 1540 befinden sich aber immer noch ca. 1000 Söldner in der Grafschaft Hoya.

 

Im August des Jahres 1545 kommen erneut Landsknechte unter Führung Heinrich d.J. von Braunschweig in die Stifter Bremen und Verden, um Angriff auf Bremen vorzubereiten. Sie ziehen dann aber weiter, um Braunschweig –Wolfenbüttel vom Schmalkaldischen Bund zurückzuerobern. Inwieweit in diesem Zeitraum die Orte Leeste, Weyhe, Ahausen oder Dreye von Übergriffen der Landsknechte betroffen sind, ist nicht überliefert.

 

Nach dem Tod des Jobst II übernimmt 1545 Graf Albrecht bis 1563 die Grafschaft Hoya. Erich V. (bis 1575) und Otto VIII von Hoya sind dann seine Nachfolger.

 

1547 findet die Schlacht bei Drakenburg statt: Truppen des Schmalkaldischen Bundes unter Albrecht von Mansfeld besiegen das kaiserliche Heer unter Erich II. von Braunschweig-Lüneburg (Calenberg). Christoph v. Wrißberg kommt zu spät (seine Geschütze bleiben bei Achim im Sand stecken). Als Wrißberg mit ca. 2000 Mann von der Weser fliehen will, wird er bei Bassum von Bremens Truppen angegriffen. 500 Gefangene fallen in Bremens Hände.

Schlacht bei Drakenburg,3

 

Auch hier erhebt sich

die Frage, inwieweit diese Kämpfe sich im Weyher Raum ausgewirkt haben. Da Wrißbergs Truppen wohl an der westlichen Seite der Weser von Bremen nach Achim gezogen sind, dürften sie auch Dreye und Ahausen berührt haben.

 

1567 wird auch ein neuer protestantischer Erzbischof von Bremen ernannt, was zwar die Streitigkeiten zwischen dem katholischen Lager und den Protestanten beendet, aber zu neuen Streitigkeiten um den rechten lutherischen Glauben führt: Es gab unterschiedliche Auffassungen über das Abendmahl und andere Glaubensfragen in der Bremer Predigerschaft. Ein Streitpunkt war auch die Wiederanstellung des Pastors Jost Glanaeus an St. Ansgarii. Dieser war suspendiert worden, hielt sich aber weiter in Bremen auf. 1582 ließ er sein Kind durch den Pastor von Kirchweyhe, Antoninus Wantsnider, in seiner Bremer Wohnung taufen. Der Erzbischof warf dem Rat vor, den Kalvinismus in Bremen zu fördern.4

 

Bei der Übernahme der Grafschaft Hoya spielt auch ein Nachkömmling der Familie von Weyhe eine entscheidende Rolle: Dr. Friedrich II von Weyhe, Sohn des Bürgermeisters von Hannover , Dr. Friedrich I von Weyhe, und Kanzler des Herzogs Wilhelm:

 

  • 1574 sucht Herzog Wilhelm der Jüngere von Braunschweig und Lüneburg durch seine Statthalter, Räte und Kanzler Ernst von Reden, Otto Asche von Mandelsloh, Rudolph von Bothmer und Friedrich von Weyhe dem Grafen Otto, nachdem durch den Tod seines Bruders Erich, Grafen von Hoya, Rietberg und Bruchhausen, die Regierung ihm allein zugefallen ist, bei der Wahl seiner Räte und Befehlshaber behilflich zu werden, und lässt ihn über das Verhältnis zwischen seinem Fürstentum Lüneburg und der Grafschaft Hoya durch Vorlegung mehrerer Dokumente Bericht erstatten.5
  • Kanzler Friedrich von Weyhe sichert 1575 dem Grafen Otto von Hoya die Gefolgschaft zu, nachdem dessen Bruder Graf Erich gestorben war. 6
  • 1580 autorisiert Herzog Wilhelm von Braunschweig Friedrich von Weyhe, „der Rechte Doctor“, zur Abnahme von Rechnungen der Ämter Nienburg und Hoya und zur Fürsprache der Wiederanstellung eines Drosten zu Nienburg.7
  • Im Jahr darauf erteilt Herzog Wilhelm Instruktionen u.a. an Friedrich von Weyhe bzgl. der Hoyaschen Lehen.8
  • 1582 lässt Herzog Wilhelm durch seinen Kanzler Friedrich von Weyhe dem Herzog Erich von Braunschweig Glückwünsche zur Hochzeit übermitteln und ersucht ihn, sich zu den Hoyaer Lehensachen zu erklären.9

 

1583 erhält Dr. Friedrich von Weyhe Vollmacht, auf dem Landtag in Hannover über die Grafschaft Hoya zu verhandeln.10 Graf Otto VIII. von Hoya war 1582 kinderlos gestorben als letzter männlicher Nachkomme in der Linie der Hoyaer Grafen. Die Welfenherzöge Erich II. von Calenberg und Julius von Wolfenbüttel erheben Anspruch auf die Grafschaft. Herzog Julius erhält die Obergrafschaft, Erich die Niedergrafschaft. Es erfolgt der Neu-Empfang der Lehen durch die Ritterschaft von Weyhe. 11

 

Schon 1581 werden Anton (Tönnjes) v. Weyhe und Georg (=Jürgen) v. Weyhe unter der Ritterschaft aufgeführt, die den Herzögen Julius und Erich von Braunschweig-Lüneburg huldigen für den Fall, dass Graf Otto von Hoya stirbt.

 

Herzog Julius stirbt 1589, und sein Sohn Heinrich Julius schließt mit seinem Bruder Philipp Sigismund eine Übereinkunft, wonach das Amt Syke an seinen Bruder fällt. Er ist seit 1586 Bischof in Verden und ab 1591 auch in Osnabrück.

 

In diesem Jahr 1589 stirbt auch Agnes von Bentheim, die Witwe Ottos VIII. von Hoya. Sie wird in der Nienburger Martinskirche bestattet. Sie war die letzte Repräsentantin der Grafschaft Hoya.

 

Burg Hoya 1647  12

Bei der Übergabe der Obergrafschaft an Philip Sigismund wird ein Inventarium des Amtes Syke erstellt, unter Bezugnahme auf das schon vorliegende „Sieker Erbregister vom Jahre 1585“. Danach umfasst das Amt:

 

Brinkum, Dreye, Riede, Wachendorf, Fuldenriede, Röllinghausen, Osterbinde, Nordwohlde, Gräfinghausen, Heiligenrode, Mackenstedt

 

Das Amt stellt die Sammlung der Abgaben auf neue Füße: Um die Bauern vom Transport ins ferne Syke zu entlasten, aber auch um die Abgaben besser vor Ort kontrollieren zu können, werden Vorwerke angelegt, mit großen Scheunen und Ställen zur Aufnahme der Naturalabgaben (Getreide, Heu, Stroh, Lebendvieh). Die neuen Vorwerke werden in Syke, Erichshof und Riede gebaut.

 

 

Änderungen im Feudalsystem nach der Übernahme der Grafschaften

 

Die von den Hoyaer Grafen vergebenen Lehen gehen auf die Braunschweig-Lüneburger Kurfürsten über. Auch die Besitzungen der Kirche kommen unter die Oberhoheit der Herzöge. Die Lehen werden verwaltet vom Amt Syke.

 

Wird ein Lehen zurückgegeben (z.B. wenn keine Erben beim Tod des Lehen-Nehmers vorhanden sind), dann fällt es an das Amt.

 

Die Lehen an die Junker (adlige Ritter-Güter), die diese von den Hoyaern erhalten hatten, gehen auf die Kurfürsten über. Sie behalten ihre Leibeigenen. Beim Aussterben der Junker fällt das Lehen ebenfalls an das Amt.

 

Da die adeligen Güter aber von den Junkern fast alle vor ihrem Aussterben verkauft wurden, ändert sich aus Sicht der Leibeigenen nicht viel, außer dass ihre Grundherren wechseln.

 

In den Contributions-Registern von 1659 des Amtes Syke 13 wird nach drei Arten von Lehen unterschieden:

 

- Lehen vom Amt („herrn leuthe“)

- Lehen der Edelleute/Ritter („junkern leuthe“)

- Bremer Lehen („bremische leuthe“)

 

In Weyhe ergibt sich dadurch die Situation, dass nach 1750 (Verkauf des Hademstorff‘schen Gutes an das Gut Sudweyhe 2), und nach Wegfall der Besitzungen der Klöster und des Erzbistums Bremen, nur die Grafen von Schwicheldt, die Junker v. Frese gen.Quiter (Güter in Leeste und Sudweyhe) und das Amt Syke als Grundherren übrig bleiben.