Weyhes Lage im Largau

Paul Athmann

 

Den ältesten uns überlieferten Urkunden zufolge erstreckte sich links und rechts der Weser von der Sebbenhauser Weserfurt im Süden bis zur Huntemündung im Norden, im Osten bis zum "Hessewech", der heutigen Bundesstraße 215, der frühmittelalterliche Gau Lara, lateinisch pagus Lara. Man könnte nun mutmaßen, dieser Largau, Laargau oder Lorgoe ginge auf die Gaueinteilung des vorchristlichen sächsischen Stammesherzogtums zurück, aber Adam von Bremen führt ausdrücklich an, dass die Gaue Lorgoe und Wigmodia (das Gegenstück nördlich der Weser) nach der fränkischen Eroberung aus zehn älteren Gauen, deren Namen nicht bekannt sind, bei der Konstituierung des Bistums Bremen neu gebildet wurden. Die Nachbarbezirke waren neben Wigmodia der Lerigau im Westen, der Sturmigau im Osten sowie Entegau, Derwegau und Grindringa im Süden.


Erste Nachrichten über den Largau erreichen uns aus aus der Lebensbeschreibung des heiligen Willehad, des angelsächsischen Missionars der Friesen und Sachsen, der 787 in Worms zum Bischof geweiht und dann von König Karl in das heutige Nordwestdeutschland geschickt wurde, um das Bistum Bremen aufzubauen, dessen erster Bischof er dann wurde.

 

Karte der Gaue um Bremen nach A. Paul 8

 

Die Grafschaftsrechte für den Largau sind bis etwa 1100 urkundlich belegt; außer Gebrauch kam die Bezeichnung dann im Spätmittelalter, als die Grafen von Hoya die örtlichen Machtverhältnisse und Verwaltungsstrukturen einer grundlegenden Änderung unterzogen und ihre neugebildete Grafschaft in sogenannte "Ämter" aufteilten.
 
Die Bedeutung von Lara ist nicht eindeutig zu erschließen, vermutlich zählt die Bezeichnung aber zu den Namen mit -lar, Laar oder Leer (Laer, Laar, Lahr, Lohr, Wetzlar, Goslar, Leer usw.), die auf hleri zurückgeführt werden, was sowohl im Altnieder- als auch im Althochdeutschen soviel wie "umzäunter (Weide-) Platz", "Viehgatter" bedeutete. Der Laargau wäre damit ebenso wie der benachbarte Leergau der "Viehkoppelgau" oder der "Gau der Viehzüchter", was ganz gut zu der Überlegung passt, dass im flussnahen Marschland an der Weser vor der ins Hochmittelalter zu datierenden Einführung des Sechpflugs mit Streichbrett Heuwirtschaft und Viehzucht in unserem Raum sicher eine größere Rolle spielten als der Ackerbau.

Karte der Gaue in Norddeutschland 9 um 1000

 

In der Lebensbeschreibung Willehads wird weiterhin für den nördlichen Bereich des Gebietes, das in späteren Zeiten Largau genannt wurde, als Gaubezeichnung der Name Steoringa erwähnt, und 1049 wird in einer Urkunde Kaiser Heinrichs III. der Bremer Kirche eine Schenkung im pago Lara vel Steiringa, also im "Lar- oder Steiringgau" übertragen, offensichtlich scheint also zumindest für den nördlichen Teil des Largaus auch dieser Name gängig gewesen zu sein. Schon die Schilderungen der Wunder am Grab des Bischofs Willehad im Jahr 860 sprechen von den Kranken, die aus dem Gau Lara vel Steoringa (darunter aus "Wege") zu ihm gekommen seien.  Auch die chronicon restedensis von Heinrich Wolters um 1460 spricht von Sterningen. Dies sei von alters her der Name des Landes zwischen Bremen, Hoya und der Weser gewesen, von den einzeln bewohnten Wurten der Marsch bis zu den "Heidjern", "Heidmärkern" auf der Geest reichend. 10


Die Bistümer Bremen und Minden wurden durch den sog. "Folcwech" getrennt. Dieser Weg trennte die Mindener Kirchspiele Colnrade, Scholen, Schwaförden, Twistringen, Neuenkirchen, Mellinghausen, Wietzen, Balge von den Bremer Kirchspielen Harpstedt, Bassum, Sudwalde , Asendorf und Bücken und bildete damit die Südgrenze des Bistums Bremen. 11

 
Der Gesta Hammaburgensis des Adam von Bremen aus dem Jahr 1050 zufolge verlief die Grenze des Largaus entlang der Weser von der Hunte- bis etwa zur Allermündung, dann entlang des Hessewegs (ungefähr die heutige Bundesstraße 215) und durch die Moore nordöstlich Nienburgs an Wölpe und Drakenburg vorbei zu einer Weserfurt bei Sebbenhausen, von dort entlang einer heute nicht mehr erkennbaren Landstraße, dem Volkweg (oder Folcwech), durch die Syker Geest nach Wildeshausen an der Hunte und an diesem Fluss entlang bis wiederum zu seiner Mündung. Benachbart waren im Westen, jenseits der Hunte, der Lerigau, im Nordosten, rechts der Weser, der Gau Wigmodi, im Osten, bei Verden, der Sturmigau und im Süden Entegau, Derwegau und Grindringa. 12

 

"Hiernach könnte das Land Steiringen die Ämter Hoya, Westen-Thedinghausen, das Kreisamt Theding-hausen, die Marschvogteien Riede, Weyhe und Brinkum im Amte Syke, die Bremer Gohe Ober- und Nieder-Vieland und den Kreis Delmenhorst mit den Oldenburger Ämtern, Ganderkesee, Delmenhorst, Berne und Wildeshausen, soweit sie zwischen Hunte und Weser liegen, umfaßt haben." 13

 

Damit ist auch klar, dass der gesamte Weyher Raum, also auch die Höfe auf der Vorgeest, zum Bistum Bremen gehörte und damit dem Einfluss des Bremer Erzbischofs unterlagen.


Hodenberg zeichnet in der obigen Karte die Orte Sture, Brinkem, Barrien, Weige und Leeste mit einer Kirche ein. Zumindest für Leeste ist das für die Zeit bis 1200 gewagt, da ein Zeugnis für eine Kirche fehlt (Ersterwähnung 1250), während seit 1187 'villa de Leste' bezeugt ist. 1858 nennt er den Ort Leeste als nach der Rasteder Chronik [II 98] in Steiringa belegen.

 

Feudalordnung in Nordwestdeutschland

 
"Eine [...] feudale Gesellschaft kann durch folgende Merkmale beschrieben werden: Ein Landesherr überlässt einer entstandenen Kriegerkaste zu deren materieller Versorgung die Nutzung von Teilen seines Landes; einschließlich der darauf befindlichen Bewohner. Das feudum ist ein zum Lehen (also ein im anfänglichen Grundprinzip nur zur Leihe), übertragenes beneficium, d. h. eine Wohltat im Sinne materieller Ausstattung. Aus den Lehensgütern entwickeln sich mit der Zeit herrschaftliche und wirtschaftliche Rechtsnormen, die den unteren Stand der Bauern von einer staatlich-politischen Willensbildung ausschließen [...]"


"Die feudale Gesellschaft entstand im Frühmittelalter durch eine Verschmelzung der sich auflösenden antiken Gesellschaft und der germanischen Gesellschaften. [...] Die [...] feudalen Institutionen entwickelten sich aber erst nach dem Jahr 800 im Reich der Franken, als eine vormals zum Teil freie Bauernschaft durch ständige Kriege und Invasionen der Wikinger, Sarazenen, Magyaren etc. ökonomisch ruiniert und so in die Abhängigkeit von den Feudalherren gezwungen wurde. Es gab aber auch gewaltsame Einverleibungen durch Feudalherren (beispielsweise Stedingerkrieg)."14

 
Ursprünglich war der Bauer im germanischen Siedlungsraum frei. Unter Karl d.Gr. wurden Land und Hof Eigentum eines Grundherren. Der übernahm zwar den Schutz seiner Untertanen, als Gegenleistung forderte er aber Abgaben und Dienste. […]Oberster Grundherr war der König. Er vergab das Land für besondere Dienste ... an Lehensmänner.... Die sorgten dafür, dass es besiedelt und urbar gemacht wurde.  [...] für das Land südlich von Bremen hatte der König den Bremer Erzbischof als Grund- und Gerichtsherrn eingesetzt. 15


Inwieweit die Feudalordnung schon zur Zeit der Christianisierung Anwendung fand bei den Höfen in den Marschdörfern (Ahausen,Dreye) und auf der Vorgeest (Wege), ist nicht überliefert. Spätestens nach der Jahrtausendwende werden aber Weyher Ritter und Edelherren erwähnt („von Weye“), deren Besitz aus vergebenen Lehen bestand.