Gaststätte Meyer-Lankenau

Geschichtsgruppe Weyhe/Karl Hahn/Paul Athmann


Lage: Leeste, Hauptstr. 75 (ehemals Hagen 14)

 

Meyer-Lankenau auf einer Postkarte um 1910 1

Die Familie Lankenau 1912 vor der Gaststätte. Links die spätere Wirtin Mariechen (*1910) neben ihrer Schwester Elsa (später verheiratet mit Lehrer Fritz Röhrbein) und der Mutter. Im Vordergrund die damalige Leester Str (heutige Hauptstraße). Im Garten stehen Elsas Vater und ihre Oma, die auch schon Gastwirtin war. Nicht auf dem Bild sind die dritte Tochter Wilma (vh. Brinkema) und der Bruder Heinrich (*1914), der im 2. Weltkrieg gefallen ist. Auch Lisbeth (* 1919, vh. Lehmkuhl) ist nicht abgelichtet.

Der hölzerne Anbau am Haus war die damalige „Freiluft-Kegelbahn“. Die Getränke für die Kegelbrüder reichte man durchs Fenster der Gaststube, und wenn es regnete, kamen Abdeckkappen über die hölzerne Bahn. Schon damals standen vier Linden vorm Haus und blieben bis heute.

 

Vielleicht hat in Hagen an der Straße von Leeste nach Kirchweyhe schon 1635 eine Gaststätte gestanden: Ein Balken mit der eingeschnitzten Jahreszahl 1635 war 1958 bei Renovierungsarbeiten gefunden worden. Nachweisen lässt sich das nicht – die Archivunterlagen beginnen erst um 1775 mit der Verzeichnung des Brinksitzers Hinrich Bödger an der Stelle Hagen 14. Da dieser lediglich als Brinksitzer bezeichnet wird, gehen wir eher davon aus, dass von dem Sohn des eingeheirateten Johann Lankenau aus Kirchweyhe, Heinrich Lankenau, das Gasthaus um 1840 eröffnet wird. Dessen Sohn Heinrich jr. führt die Gastwirtschaft fort. Hermann Meyer übernimmt als Schwiegersohn nach Heinrichs Tod im Jahre 1949 die Wirtsstube und führt sie unter dem Namen Meyer-Lankenau bis in Ortsgeschichte Weyhe 3 die 1970er Jahre. Dann tritt Heinz Meyer-Lankenau die Nachfolge an und betreibt den Saal und die Gaststube bis zum Ende im Jahre 2006.

 

 

Die Geschichte im Einzelnen

Im Juli 1890 lädt der Wirt H.Lankenau zur Tanzmusik ein. Ebenso im Februar 1892, Juli 1896, Juni 1901, April 1904, Juli 1905, Januar 1906, Oktober 1907

Verschiedene Bälle finden im Gasthaus statt: Stiftungsball des Vereins „Vorwärts“(1891), Ball des Lesevereins (1894,1896, 1899, 1900, 1901), Sommerfeste (Kriegerverein 1905, Männer-gesangverein Leeste 1906, Radfahrverein 1914))


1902 gibt es ein großes Sommerfest bei Heinrich Lankenau in Hagen.

1906 hat der Männer-Gesang-Verein Leeste sein Fest bei Lankenau.

1906 stirbt der Gastwirt und Brinksitzer Heinrich Lankenau (*1840). Sein Sohn Heinrich jr. (*1876) übernimmt.

Heinrich jr. heiratet 1908 Charlotte Bolte (*1879,+1971). Sie hilft noch im hohen Alter in der Gastwirtschaft aus, auch als ihr Mann schon lange gestorben ist (+ 1949). 2

 

Gastwirt Heinrich jr. Lankenau ist 1920 auch stellvertretender Vorstand der Hagener Elektrizitätsgenossenschaft. Diese Genossenschaft übernimmt die Verteilung des elektrischen Stroms von der Überlandzentrale an die Genossen.3 Vorher hatte die Dampfmühle Dunkhase den Strom in Hagen erzeugt.

1920 führt die Tanzschule J. Peters einen Kursus im Gasthaus Lankenau durch.4

Das Gasthaus Anfang der 1950er Jahre.

 

Neue, größere Fenster, ohne Kegelbahn, mit den Zeichen der Zeit: VW Käfer und andere Automodelle

 

Mariechen Lankenau wurde als zweites Kind 1910 in dem alten Haus geboren. Ihre Schwester Elsa, die später den Lehrer Fritz Röhrbein heiratete, ein Jahr vorher.

1914 findet ein „Radfahrerfest“ bei Lankenau statt. Es treffen sich einige Radfahrervereine der Umgebung, die sich zum „Radfahrer-Verband“ zusammengeschlossen hatten. 

1951 heiratet Mariechen Hermann Meyer, und seit der Zeit firmierte das Gasthaus unter „MeyerLankenau“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hermann Meyer (1911-1984) 5

Mariechen Meyer geb. Lankenau (1910-2001) hier im Jahre 1995 mit Kurt Maring 6 und mit Bürgermeister Heinrich Klenke anlässlich ihres 85. Geburtstages.7


 

Die 1950er und 1960er Jahre

1955:

Die Tischtennisspieler des SV Kirchweyhe trainieren auf dem Saal 2.v.r.: Hermann Meyer, der Vereinswirt

 

Stammtisch 1954: v.l.: Heinz Volkmann, Wilma Rottmann, Helga Seevers, Wilfried Hildebrand, Herbert Seevers, Albert Mahlstedt, Helga Hildebrand

1958: Hermann Meyer mit seinem Personal: v.l.: hinten: Horst Reimer, Thea Fislage, Wilma Eggers, Erna Niemeyer, Fritz Bösche, Resi Denker, und Resi Spreen . vorne: Köchin Meta Köhler und Mariechen Bösche.

 

1968: Gastwirt Hermann Meyer-Lankenau und der Musiker Jonny Wetjen

Hermann Meyer war auch aktiver Handballer beim TSV Leeste. Die Handballsparte des Vereins traf sich regelmäßig bei ihm im Lokal – was ein Ausschnitt aus der Festrede beim 75jährigen Jubiläum des Vereins deutlich macht: „Das was für den Verein und für die Fußballer das Haus Schnakenberg war und ist, das ist für die Handballer das Haus Meyer-Lankenau. Es war zwar nie Vereinslokal, aber stets das Heim der Handballer. Nach seiner aktiven Zeit nahm Hermann Meyer-Lankenau den „Handball“ voll zu sich auf und brachte den Handballsport in Leeste ganz nach oben.“

Um 1965 wird das Gasthaus erweitert: Die Kegelbahn wird entfernt und ein Erker angebaut. So wird Platz für die vielen Vereine geschaffen, die sich hier treffen. 8

Foto: Hedda Siemer
Foto: Hedda Siemer
Foto: Hedda Siemer
Foto: Hedda Siemer

Größere Hochzeiten mit mehr als 100 Gästen fanden in Leeste nun bei Meyer-Lankenau statt.

Foto: Hedda Siemer
Foto: Hedda Siemer

Ein Luftbild aus den 1960er Jahren 9

 

Die 1970er und 1980er Jahre

1970er Jahre: Hermanns Sohn Heinz Meyer-Lankenau übernimmt den Betrieb im Gasthaus.

 

 

 

 

 

 

 

Ein Foto aus dieser Zeit zeigt noch den alten Verlauf der Hauptstraße.10

Der Saal ist im Jahr 1970 für knapp 80 Gäste einer Hochzeitsfeier gedeckt.Die bunten Tapeten sind typisch für die 70er.11


 

Die Küche

1961: Kaum Abstellmöglichkeiten: Das Geschirr steht auf dem Fußboden. Abwaschen per Hand

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1983: Hochbetrieb während einer Kohlfahrt. Neun Frauen und ein Mann sorgen für volle Schüsseln.

 

 

 

 

 

 

 

Die Küche nach dem Aufräumen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1997: Eine neue Abluftanlage mit der großen „Dunstabzugshaube“ hat die Säule mit dem Ventilator beseitigt. Die Einrichtung entspricht den aktuellen Hygiene-Vorschriften.

 


 

Die Gaststube mit der Theke 13

 

Hier traf man sich zum Kartenspiel und/oder Klönen. „Die zentrale Lage des Gasthauses mit dem Rathaus und den neuen Zentralsportanlagen nebenan sorgten in den 1960er bis 1980er Jahren für regen Zulauf. Fast alle politischen Parteien, viele Musikgruppen und Chöre, mehrere Sportvereine und Tanzschulen trafen sich bei Meyer-Lankenau. Aquarienfreunde und Vogelzüchter, Funkamateure und Werbegemeinschaften gehörten dazu. Die Aktivitäten im Bereich des Handballsports von Hermann Meyer-Lankenau und seinem Sohn Heinz sind unvergessen. Außerdem gehörten Familienfeiern aller Art zum Alltag, und zahlreiche Kegelclubs gaben sich die Klinke in die Hand.

 


Vereine, die sich regelmäßig bei Meyer-Lankenau trafen.14

 

 Handballsparte des TSV Leeste

 Freunde der Blasmusik

 Leester Werbegemeinschaft

 Tanzsportclub Brinkum

 Weyher Frauenfrühstück

 Aquarienfreunde

 Politische Parteien: SPD, FDP, GWG

 Vogelliebhaber Kirchweyhe e.V.15

 Leester Schützenverein

 Kaninchenzuchtverein

 ADFC Weyhe ?

 (etc – über 20 Gruppierungen– siehe Liste im Museum) 

1998 üben die „Freunde der Blasmusik“ noch regelmäßig im Gasthaus.

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinz feiert 50 Jähriges Jubiläum im eigenen Saal.


 

Die Gaststätte mit dem Saalanbau in den 1990er Jahren

Das Foto zeigt die Größe der Saalanbauten
Das Foto zeigt die Größe der Saalanbauten
der angebaute neue Saal - vom Rumpsfelder Busch aus gesehen
der angebaute neue Saal - vom Rumpsfelder Busch aus gesehen

Die Ansicht im Jahr 1987 mit dem Wohnhaus der Familie Meyer-Lankenau
Die Ansicht im Jahr 1987 mit dem Wohnhaus der Familie Meyer-Lankenau

Eine Postkarte mit Innenaufnahmen.

 

1997, nach der Renovierung der Küche, wird das Angebot um ein Brunch-Büffet erweitert und noch mal die Werbetrommel gerührt. 17

Um 2000 wird die Gaststätte in der Mehrheit nur noch von den 'alten' Weyher Einwohnern besucht. Veranstaltungen sind meist finanziell nicht erfolgreich. 

 

Zu Beginn der 2000er Jahre geriet das Gasthaus in eine finanzielle Schieflage, die Heinz MeyerLankenau im August 2006 zur Aufgabe zwang.“ 18

Heinz im Jahr 2006 beim Zapfen des letzten Biers 19
Heinz im Jahr 2006 beim Zapfen des letzten Biers 19
Im August 2006 schließt Heinz Meyer-Lankenau sein Gasthaus 20
Im August 2006 schließt Heinz Meyer-Lankenau sein Gasthaus 20

Nach Konkurs und mehrmaligen Versteigerungsversuchen wird die Gaststätte im August 2006 an die Immobilien / Baufirma baucom verkauft. Das Inventar wird aber nicht übernommen. Der Eigentümer Heinz Meyer-Lankenau verliert auch sein Wohnhaus. Der Verkehrswert ist auf 623000 € für die Gaststätte und 210000 € für das Wohnhaus angesetzt. Der Verkaufspreis dürfte aber sehr viel niedriger gelegen haben, da bei den Versteigerungsterminen die Gebote unter einem Zehntel des Verkehrswertes lagen. Der Weserkurier berichtete sogar von einem Angebot der Firma „baucom“ von 150000 für den Gaststättenkomplex. Zwischendurch war ein Zuschlag an einen Weyher Geschäftsmann erteilt worden, den der Wirt aber erfolgreich juristisch anfocht, da weniger als 50 % des Verkehrswertes erzielt worden warren. Schließlich ging der Komplex beim dritten Versteigerungstermin dann doch an „baucom“.21

 

Für das Inventar findet der Wirt schließlich einen Interessenten, der alles übernehmen will. Die vom Gutachter angesetzten 90 000 € sind aber wohl illusorisch. Meyer-Lankenau hofft, mit dem Verkauf schuldenfrei aus dem Konkurs heraus zu kommen. 22

 

Das Gasthaus samt Wohnhaus wird Ende 2006 komplett abgerissen. Damit verschwindet eine heimische Traditionsgaststätte, in der unzählige Familienfeste, Veranstaltungen aller Art, Vereinsversammlungen und Kegelabende stattgefunden haben. Einige Vereine besitzen plötzlich kein Stammlokal mehr, müssen sich nach neuen Treffpunkten umsehen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Abrissbagger hat das Wohnhaus schon zerlegt.23

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abriss der Gaststätte im Dezember 2006. 24


2008 entsteht auf dem Gelände ein neuer großer Gebäudekomplex, in dem neben dem Restaurant „RiBecca“ auch noch ein Friseursalon, eine Krankenpflegestation, eine Arbeitsvermittlung, eine Immobilienfirma, ein Finanzierungsbüro und das Büro des Bauträgers Baucom ihren Sitz haben. Dort, wo vor einem Jahrhundert die Freiluftkegelbahn stand, wurden kürzlich mehrere Reihenhäuser bezogen.

 

Heinz Meyer-Lankenau, der zuletzt in Sudweyhe wohnte, erinnert sich 2011: „Ich habe dort eine schöne Zeit mit vielen tollen Begegnungen erlebt. Zum Beispiel, wie im November 1990 vier amerikanische Soldaten vor der Tür standen. Sie mussten mit ihrem Hubschrauber auf dem Flug nach Bremerhaven im Bruch notlanden. Ihnen war der Sprit ausgegangen und es dauerte zwei Tage, bis der Nachschub eintraf. Sie übernachteten bei uns, und der Pilot schenkte mir zum Abschied sein Ärmelabzeichen, das habe ich immer noch.“25 Eine andere Geschichte hatte er im August 2006 schon der Kreiszeitung erzählt: Ein Lahauser, der stark angetrunken war, wollte im Taxi nach Hause. Eine Stunde nach der Abfahrt meldete sich die Polizei beim Gastwirt: Ob er den Gast kenne und wo der wohne. Es stellte sich heraus, dass der Gast dem Taxifahrer immer wieder gesagt hatte: „Jetzt rechts, dann wieder rechts.“26 

 

Rita Soostmeyer, die mit ihrer Freundin Rebecca Thiele das Restaurant „Ribecca“ seit April 2009 betreibt, hat die Existenzgründung an diesem alten Gaststättenplatz nicht bereut: „Es läuft sehr gut. Auch kommen viele ältere Weyher und freuen sich, dass sie ihre goldene Hochzeit an dieser Stelle feiern können, hatten sie doch bei MeyerLankenau geheiratet.“

2008 ist der Neubau fertig. Das Bild des Platzes an der Leester Hauptstraße hat sich total gewandelt.

 


2011 stellen sich Heinz MeyerLankenau und seine "Nachfolgerin" Rita Soostmeyer, Mit-Inhaberin des Cafés und Restaurants "Rebecca", zum Foto vor dem Neubau auf.27


Als Heinz Meyer-Lankenau 2018 stirbt, erweisen ihm zahlreiche Vereine die letzte Ehre. 


 

 

 

 

Anmerkungen

1 Reproduktionen der Postkarten, Fotos und einige Texte entnommen aus W.Meyers Beitrag zum Gasthaus in (Weber, Das Häuslingswesen im Landkreis Diepholz, 2017) S.120

2 Foto: W.Meyer (aus (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.88

3 Anzeige in der Syker Zeitung v. 2.10.1920

4 Syker Zeitung v. 12.12.1920

5 Foto: W.Meyer (aus (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.88

6 Foto: W.Meyer (aus (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.88

7 Foto aus W.Meyers Beitrag zum Gasthaus in (Weber, Das Häuslingswesen im Landkreis Diepholz, 2017) S.123

8 Foto 1966: (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.87

9 Repro: F.Brozio, fb wf

10 Foto H.Wetjen

11 Foto aus: (Weber, Das Häuslingswesen im Landkreis Diepholz, 2017) S.122

12 Fotos: Heinz Meyer-Lankenau

13 Fotos: Heinz Meyer-Lankenau

14 Nach Weserkurier v. 11.6.2005, Nr. 36 und Liste des KHB Diepholz, Kreismuseum Syke

15 S. Die Gefiederte Welt, 2000 S.247

16 Foto/Repro: F. Brozio fb wf

17 Anzeige aus Weyher Rundblick Ausgabe Juli 1997.

18 Zitat entnommen aus dem Beitrag von W.Meyer in (Weber, Das Häuslingswesen im Landkreis Diepholz, 2017) S.122

19 Foto aus (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.88

20 Foto: H.Wetjen

21 Weser-Kurier v. August 2006 Renate Schörken.

22 Vgl. Kreiszeitung (yk) v. 24.8.2006

23 Foto: K.Hahn

24 Foto: K.Hahn

25 Vgl. (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.88

26 Vgl. Kreiszeitung (yk) v. 24.8.2006

27 Foto aus: (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, 2011) S.87

28 Aus dem Besitz von Reinhard Röhrbein fb wf

29 Erstellt aus Auswertungen der amtlichen Häuserlisten und Kirchenbücher durch Karl Hahn und Jobst Boyer