Paul Athmann
Am Schloß 2, Leeste / Alte Nr. Leeste Nr.42
Die Mühle wurde wohl um 1908 von Johann Wetjen gebaut und zuletzt von Wetjens Sohn betrieben. Johann starb 1919. Er war auch Fabrikant von Zementdachpfannen und hatte einen Handel.
Nach seinem Tod hat zunächst sein Sohn den Betrieb weitergeführt. Ab etwa 1923 sollen Heinrich Budelmann und Heinrich Kirchhoff den Handel betrieben haben.
Die Mühle hat vor allem importierte russische Gerste zu Schweinefutter vermahlen und somit die steigende Nachfrage der Leester Schweinemäster gedeckt.
Die Mühle hat vor allem importierte russische Gerste zu Schweinefutter vermahlen und somit die steigende Nachfrage der Leester Schweinemäster gedeckt.
Die Flurkarte von 1875 zeigt das Wohnhaus von Johann Wetjen (Nr. 42) an der Straße nach Melchiorshausen, gegenüber der Nr. 4 (Gasthaus Nordmann) und dem Hof Rumpfeld (Nr. 3).
Oben ist die Leester Kirche (Nr. 55)
Wetjen stammt ursprünglich von einem Hof „an der Beeke“.1
1900 gründet Johann Wetjen eine Flurplattenfabrik. 1903 heißt sie schon "Cement, Dach- und Flurplattenfabrik".
Wetjen ist Fabrikant von Zementdachpfannen und Zementfußboden-Platten und hat einen Handel. Er verkauft Schornsteinaufsätze
(schon 1896 2
) ebenso wie Schweinetröge und Baustoffe aller Art.
1903 ist ein Brand zu vermelden: “Großfeuer“ beim Fabrikbesitzer Johann Wetjen. Das Albert Hake'sche Haus brennt ebenfalls. Albert Hake war Gastwirt und Färber und wohnte an der heutigen Leester Straße, da wo heute die Familie Bösche ihr Wohnhaus hat.
1904 und 1905 verkauft ein Joh. Wetjen mehrere Stücke Land.
Ob hier der Fabrikant Wetjen Land verkauft, um Geld für den Bau eines neuen Hauses und einer Mühle einzunehmen, kann man nur vermuten.
1907 ist der Fabrikant Johann Wetjen im Adressbuch unter Leeste 42 eingetragen.3 Das Wohnhaus wird wohl in jenem Jahr gebaut.4
1908 erfolgt dann der Bau der Mühle. Die Baupläne stammen vom Mühlenbauer J.H. Rodenbostel. Der Bauherr ist J. Wetjen.
Der Lageplan 5
von 1908 von J.H. Rodenbostel zeigt neben dem schon vorhandenen “Wohnhaus”, der “Fabrik” (wohl die Flurplattenfabrik von Wetjen), einem “Pferdehaus” und einigen “Schuppen” auch die neu zu
erstellende “Mühle” mit angebautem “Maschinenhaus”. Das Grundstück gehört “Fabrikant Joh. Wetjen” und liegt an der “Landstraße v. Melchiorshausen n. Leeste”, gegenüber dem “Grundstück v. P.
Nordmann” und neben denen von “Alb.Hake” bzw. “H.Borchers”. Die Mühle liegt am “Interessentenweg” (heute: “Am Schloß”).
Nach den Schnittzeichnungen 6 sind im angebauten Maschinenhaus der Sauggasmotor und ein Kamin vorgesehen. In der Mühle sind 2 Mahlgänge eingezeichnet, die von der Welle zum Motor angetrieben werden.
Der Sauggasmotor treibt offenbar 2 Räder an, die über Riemen mit der Antriebswelle verbunden sind.
Die Antriebswelle war wohl für 2 Mahlgänge vorgesehen.
Inwieweit diese Pläne am Ende realisiert wurden, kann heute nicht mehr festgestellt werden.
Nach Fertigstellung der Mühle wird das Gebäude fotografiert. 7 Dabei scheint die Anlage im Maschinenhaus entweder noch nicht fertig zu sein, oder die Pläne wurden nicht überall umgesetzt. Jedenfalls ist das Abgasrohr im Außenbereich nicht vorhanden.
Auch ist ein Foto des Sauggasmotors erhalten geblieben. 8 Es zeigt die Abgaseinrichtung und das große Schwungrad.
1918, im 1. Weltkrieg, wird Johann Wetjen in einer Bekanntmachung der Kriegswirtschaftsstelle als Mühlenbesitzer tituliert. Im Artikel wird kein Mühlenbetrieb erwähnt, wohl aber Zement-Handel bzw. -Lagerung, wobei er neben dem Kaufmann Uhlenwinkel in Syke die einzige Lagerstelle für Zement im Kreis Syke zu sein scheint. 9
Es ist jedoch überliefert, dass Wetjen bis zu seinem Tod auch die Mühle betrieben hat. 10
Die Mitarbeiter der Mühle
Nach Angaben von Birgit Stolte hat ihr Urgroßvater an der Mühle gearbeitet, bis etwa 1915, als er zur Eisenbahn wechselte. Weitere Mitarbeiter sind nicht mehr bekannt.
Das Ende des Mühlenbetriebs
Johann Wetjen stirbt am 14.6.1919 mit 58 Jahren.11
Fräulein Agnes Wetjen wird 1919 nach dem Tod ihres Vaters Johann Wetjen in die Lebensmittelkommission gewählt.12
Nach Johann Wetjens Tod betreibt zunächst sein Sohn („Joh’s“ ?) die Mühle und den Baustoffhandel weiter. Er war aus Amerika zurückgekommen, nachdem Johanns ältester Sohn Eduard im 1. Weltkrieg gefallen war. Nach etwa vier Jahren gibt er allerdings auf und wandert erneut aus in die Vereinigten Staaten.13
1920 werden unter dem Namen „Joh. Wetjen“ wieder Baustoffe angeboten.14
Danach sollen Heinrich Budelmann und H. Kirchhoff den Baustoff-Handel betrieben haben. Die Mühle wird dabei wohl als Lager genutzt.
Auf einem Luftbild 15 von 1936 wird auch die Mühle Wetjen (im Vordergrund, links) festgehalten. Die Straße oben ist die heutige Hauptstraße, unten die heutige Leester Straße nach Melchiorshausen und "Am Schloß".
Neben der Mühle steht das Wohnhaus (heute Leester Str. 41), das Wetjen 1907 zusammen mit der Mühle gebaut hat.
Im 2. Weltkrieg werden im Mühlengebäude Kriegsgefangene untergebracht. 16 Die Gefangenen wurden zu unterschiedlichen Arbeiten herangezogen. So berichtet der Schlachter Schierenbeck, dass sie beim Eisholen aus dem Kastensmoor geholfen haben. Das Eis wurde zur Kühlung der Fleischwaren im Lagerhaus des Schlachters verwendet.17
Das Foto aus den Kriegs-jahren zeigt eine Gruppe von französischen oder belgischen Kriegsgefan-genen vor dem Wohn-haus.18
Ein Schild an der Hauptstr. (vor dem Haus von Suhling, Leeste Nr.4) weist auf das „Kriegsgef.Lager“ hin.19
Im Mühlengebäude hat dann etwa Ende 40´er bis Ende der 50´er Jahre der Farbhandel Brunne sein Geschäft. "Im Jahre 1958 hatte die Leester Feuerwehr
in der früheren Mühle von Joh. Wetjen, in der das Farbenlager Brune untergebracht war, einen Großbrand zu bekämpfen." 20
Im Einwohnerbuch 1990 und 1996 ist ein Eintrag "Wrede Motorräder", 1996 und 2000 ein Eintrag "Bärbel‘s Stübchen" Zeitungen & Zeitschriften.21
In den späten 1990er Jahren und nach der Jahrtausendwende war es eine Bücherstube ("Bärbel's Stübchen").22
Auch 2008 wohnen Bärbel und Peter Wrede noch "Am Schloss 2", also in der ehemaligen Mühle (?). In Kirchweyhe an der Bahnhofstraße betreibt Peter Wrede 2008 einen Großhandel mit Motorrädern.
2009 steht das Gebäude leer, auch 2017 noch. Es wird 2017 aber hergerichtet vom Sohn der Familie Brockmann, der Maler ist und dort sein Atelier einrichten will. Das Mühlengebäude befindet sich im
Besitz der Familie Brockmann.
Das Wohnhaus
Das Wohnhaus an der Leester Straße / Ecke „Am Schloß“ war ab 1907 zunächst die neue Heimat von Johann Wetjen, nachdem er abgebrannt war. Nach dem 1. Weltkrieg und dem Tod sowohl von Johann Wetjen als auch von seinem ältesten Sohn wird es wohl für einige Jahre von Johanns zweitem Sohn bezogen worden sein.
Ein Foto des Wohnhauses 23
wohl um 1909 zeigt die für die Gründerzeit typischen Stilelemente (z.B. die FensterEinfassungen, die Dachreiter und die Giebelspitze)
Eine Postkarte 24, die 1910 gelaufen ist, zeigt das Wohnhaus mit der Aufschrift „Dampfmühle Baumaterialienhandlung Joh. Wetjen“. Im Hintergrund ist wohl der Schornstein des Sauggasmotors zu sehen. Also war der Motor spätestens 1910 eingebaut.
Im Vordergrund dürfte Frau Wetjen mit einer Tochter und einer Hausangestellten abge-bildet sein.
Das Haus wird seit Ende der 1960er Jahre von der Familie Brockmann bewohnt. Es ist eines der wenigen Häuser aus der Gründerzeit in Leeste, die noch stehen und ihr Aussehen bewahrt haben.
1936 wohnen hier unter Leeste Nr. 42: 25
Heinrich Weiberg stammte aus Münster. Seine Tochter Adelheid heiratete Christian Brockmann, den Enkel von Johann Wetjen. Christians Vater war Lehrer und hatte eine von Johann Wetjens Töchtern geheiratet. Eine weitere Weiberg-Tochter ist nach Oldenburg verzogen.
Ein Luftbild aus den 1950er Jahren (?) 26
zeigt in der rechten Bildhälfte auch das Wohnhaus, das gegenüber dem damaligen Gasthaus Nordmann an der damaligen Hauptstr, (heute Leester Str.) liegt.
2 s. Syker Zeitung v. 3.10.1896
3 Angaben v. B. Stolte
4 Nach Angaben v. C. Brockmann 2017
5 Archiv Gemeinde Weyhe (Fotoarchiv, W.Meyer): Baupläne Mühle Wetjen, Leeste, 1908
6 Archiv Gemeinde Weyhe (Fotoarchiv, W.Meyer): Baupläne Mühle Wetjen, Leeste, 1908;
7 Archiv Gemeinde Weyhe
8 Foto aus dem Besitz von H.Bischoff, Leeste
9 Syker Zeitung 23.3.1918 - Repro Hahn Rathjen, Riehn
10 Nach Angaben v. C. Brockmann 2017
11 Syker Zeitung 17.6.1919 - Repro Hahn Rathjen, Riehn
12 Syker Zeitung 20.8.1919 - Repro Hahn Rathjen, Riehn
13 Nach Angaben v. C. Brockmann 2017 und seiner Schwägerin (geb. Weiberg)
14 Syker Zeitung v. 16.11.1920
15 Foto 1936: Strähle
16 Foto/Repro: (Greve, Gegen das Vergessen - Verfolgung und Unterdrückung in Weyhe 1933 - 1945, 1995) 17 Nach Angaben A.Schierenbeck, Leeste, 2009
18 Foto/Repro: Archiv Gmde Weyhe – W.Meyer
19 Ausschnitt aus Foto von 1941 (aus dem Besitz v. M.Böhmer – Repro W.Meyer)
20 Chronik der Feuerwehr Leeste
21 Nach Angaben von S. Rathjen
22 Foto/Repro: aus (Greve, Gegen das Vergessen - Verfolgung und Unterdrückung in Weyhe 1933 - 1945, 1995) und Fotos von 2010
23 Foto aus dem Gemeindearchiv Weyhe, undatiert, aber wohl zwischen 1908 und 1910
24 Postkarte aus dem Besitz von Fred Römer
25 Adressbuch des Kreises Grafschaft Hoya, 1936 (Leeste); Heinrich Weiberg ist auch 1940 (als techn. Rb-Insp) und 1952 (als Bundesbahn-Oberinspektor) noch im Adressbuch verzeichnet.
26 Foto aus dem Besitz v. M.Böhmer - Repro: W.Meyer fb wf