Paul Athmann
Johann Warneke war Landwirt auf dem Leester „Flohr“-Hof und hatte 2 Mühlen. Die alte Mühle am Mühlenkamp wurde 1923 gebaut und 1976 abgerissen. Die Mühle am Leester Bahnhof wurde 1949 / 1950 gebaut. Sie produzierte unter dem Namen Warneke bis Ende der 1980er Jahre und wurde Anfang der 1990er Jahre von Heinrich Landwehr übernommen.
Die alte Mühle stand beim Hof Warneke („Flohr“) am Mühlenkamp 21 (Alte Nr. Leeste 163). Dort wohnte zuletzt Marga Prothmann (+2016), die Tochter von Johann Warneke, mit ihrer Tochter Dorothea.
1935 wird die Mühle auf einem Luftbild festgehalten.1 Auch wenn sie nur schemenhaft abgebildet ist, kann man doch den Gesamtbetrieb Warneke mit dem Hof, den Schweineställen und der Mühle erkennen. Am oberen Rand des Ausschnitts führt die Alte Poststraße vorbei, rechts der Mühlenkamp. Ein weiterer Schweinestall liegt weiter links zum Gänsebach (nur teilweise auf dem Ausschnitt). Später werden in den Ställen auch Hühner gehalten.
Das bearbeitete Satellitenbild zeigt den genauen Standort: unten die Alte Poststr. mit dem Geschäftshaus KattauHeitmann-Daneke, oben links der heutige Verlauf des Mühlenkamps, gelb markiert der damalige Verlauf des Weges, rot der Standort der Mühle. Der Pfeil zeigt die Blickrichtung des Fotografen beim Bild mit den Geschwistern Warneke im Garten.2
Ein Luftfoto aus den 1950er Jahren zeigt den Betrieb mit der Mühle deutlicher: Links am Mühlenkamp steht die Mühle mit dem kleinen Anbau, vor dem Hoftor des Bauernhofes. Dahinter große Schweine-ställe, davon einer parallel zum Gänsebach.3
Ein Foto aus den 1950er Jahren zeigt die Mühle von dem Weg zu Pundsack aus gesehen: Vor dem Flohr-Hof steht das Mühlengebäude. Rechts das Geschäftshaus ( Gastwirtschaft) Kattau an der Alten Poststraße.4
Johann Warnekes Tochter Marga (2.v.l.) mit ihrem späteren Mann Herwig Prothmann um 1940 im Gar-ten des Hauses Warneke. Im Hintergrund der Trans-formator, der auch auf dem Luftbild von 1956 zu erkennen ist. In dem Haus rechts daneben war das Büro der Mühle untergebracht.5
Die Großmutter von Birgit Stolte war im Haushalt bei Warneke (1.v.l.).
Ein Luftfoto von 1956 zeigt am oberen Bildrand einen Teil der Mühle am Weg zum Mühlenkamp (in Bilddiagonale), der auf die Alte Poststraße führt. Oben rechts das Wohnhaus von Warneke, heute Prothmann. Unten das Gast- und Geschäftshaus Kattau. Später wohnen dort Danekes.6
Die Familie Warneke betreibt auf dem Flohr-Hof einen Schweinemastbetrieb, der wie viele andere in Leeste von den billigen Getreide-Importen aus Russland profitiert. Da Johann Warneke aber auch gelernter Zimmermann ist und im Mühlenbau gearbeitet hat, baut er sich für die SchweinefutterHerstellung eine eigene Mühle auf der Diele des Hofes. Als der Betrieb größer wird und die Nachbarn auch Interesse am seinem Futter zeigen, lässt er 1923, nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflationszeit, eine neue Mühle bauen. Es ist dies die Zeit, wo andere Leester und Erichshofer Mühlen (Mühlenbruch, Wetjen, Dunkhase) geschlossen werden oder abbrennen.
Johann Warneke mit seiner Familie um 1940.7
Die Mühle ist 1923 wohl hauptsächlich zum Schroten von Getreide für den eigenen Schweine-Mastbetrieb gebaut worden. Als dann die Nachbarn auch nach dem Mischfutter fragten, lieferte Warneke auch Futter an andere Landwirte. Nach dem Bau des neuen Futterwerks am Bahnhof wurde das dort gemahlene und gemischte Futter in der gesamten Region verkauft, aber auch teilweise weiterhin für die eigene Schweinemast verwendet.
1936 ist Johann Warneke als Müller im Adressbuch des Kreises Hoya unter Leeste 163 eingetragen. Er trägt sich mit Plänen, die Mühle auf dem Mühlenkamp mit Stahlsilos zu erweitern. 1939 will er sie dann aufstocken und mit Silos und Mischanlagen versehen.8 Ebenfalls 1939 plant er einen privaten Gleisanschluss für ein Silogebäude am Kirchweyher Bahnhof. Die Pläne werden aber nicht realisiert, obwohl die Genehmigung schon erteilt war.9 Der 2. Weltkrieg verhindert die Umsetzung auch dieser Pläne, und obwohl die Genehmigung 1948 erneuert wird, wird 1949 das Futterwerk in Leeste gebaut. Im Juli 1951 verzichtet Warneke dann auf den Privatanschluss in Kirchweyhe.10
In den Kriegsjahren wird die Mühle als Lager für Taue der Kriegsmarine requiriert. Die Angestellten sind für die Lieferung von Seilen per Bahn auf Anforderung der Marine
verantwortlich.11
Es werden auch Holländer als Kriegsgefangene eingesetzt, die auf dem Hof Warneke untergebracht sind.12
Unter den im 2. Weltkrieg eingeführten strengen Verordnungen bezüglich des Verkaufs von Nahrungsmitteln gerät Johann Warneke auch mit dem Gesetz in Konflikt. Weil er einige Schweine auf dem
„freien Markt“ verkauft hatte, wird er verhaftet und kommt für 10 Tage ins Gefängnis. Seine Frau darf ihn besuchen und mit ihm geschäftliche Dinge regeln – wozu einige Mettwürste und Schinken den
Besitzer gewechselt haben sollen. 13
Im Dezember 1945 erhält die Firma Johann Warneke von der britischen Militärregierung die Erlaubnis, die Produktion mit „full capacity“ wieder aufzunehmen.14
Nach dem Bau des neuen Futterwerks am Bahnhof (Ladestraße) wird ab 1951 in der alten Mühle nur noch Weizenfeinmehl gemahlen. Dazu hat die Mühle zunächst zwei, später drei Walzenstühle.
Außerdem einen Schrotgang, wohl für Roggenschrot. Mehl und Schrot werden an die Bäckereien in der näheren Umgebung (z.B. Brüne-Meyer) geliefert. Die Müller Gerhard Eggers und Max Zweck arbeiten
in der Mühle.15
Die Produkte der neuen Mühle können auch an der alten erworben werden.16
In den 1950er Jahren ist auch das Kontor noch auf dem Hof am Mühlenkamp. Erst als 1957 die neue Fertigfutterhalle des Futterwerkes gebaut ist und dort dann später Büros eingerichtet sind, werden die Verkäufe von der Ladestraße am Bahnhof abgewickelt.
Die Mühle produziert bis 1976 und wird dann mit zusammen mit den beiden großen Schweineställen abgerissen. 17
Ausstattung der Mühle
Neben der Mühle gab es noch einen Anbau für die Unterbringung des Fuhrparks. Auch wurden hier Fette und Öle gelagert („Teer un Smeer“) mit einer Tankvorrichtung.
Die Mühle wird anfangs einen oder mehrere Schrotgänge gehabt haben. Sie ist wohl von Anfang an über einen Elektromotor angetrieben worden, was ja 1923 nach der Versorgung Leestes mit Strom aus den Überlandwerken Stand der Technik war. Der Strom wurde im Transformator umgespannt, der auf dem Hof neben der Mühle stand.
Offensichtlich ist auch nach dem Bau des großen neuen Futterwerks die Technik der alten Mühle auf dem neuesten Stand gehalten worden. Ein Plan der Fa. Liebeck von 1951 zeigt die damals modernisierte Ausstattung der alten Warneke-Mühle, im Anschluss an die Fertigstellung des Neubaus an der Ladestraße. Mit der alten Mühle kann damit weiterhin Brotbackmehl gemahlen werden, während das neue Futterwerk ausschließlich Viehfutter herstellt.
Längsschnitt durch die Mühle (1951) aus dem Plan der Firma Liebeck (Kassel) mit vorhandenen und neu einzubauenden Maschinen 18
Ausschnitt PlansichterBoden aus dem Plan der Firma Liebeck
Nach dem Plan sind 1951 in der „Komb. Rg/Wz – Mühle“ folgende Maschinen vorhanden oder werden neu eingebaut:
A. Plansichterboden
B. Mühle und Reinigung
Nach 1951 hat die Mühle drei Walzenstühle, in denen für die Bäckereien der Umgebung Feinmehl zum Brotbacken gemahlen wird
Auch ein Plansichter vom Typ MIAG G25 ist in den 1960er Jahren in der Mühle vorhanden.19
Gleich nach dem Krieg wird wieder mit der Schweinemast begonnen. Küchenabfälle der Stadt Bremen und der Besat-zungsmacht sind willkommene Futterergänzungen. Die Bremer Rolandmühle liefert günstig Schälkleie und Reinigungs-abfälle.20
Aufgrund der nach dem Krieg herrschenden Lebensmittelverknappung wurden Schweinemast-Betriebe allgemein begrüßt - sowohl von der Militärregierung als auch von der Bevölkerung. So erschien anläßlich einer Betriebsbesichtigung ein Artikel im Weserkurier, der die Bremer dazu aufrief, den Appel der Bremer Ernährungswirtschaft zu befolgen und möglichst alle Küchenabfälle als Schweinefutter zur Verfügung zu stellen, damit Johann Warneke seinen Plan verwirklichen konnte, die Anzahl der gehaltenen Schweine von 4000 auf 6000 zu erhöhen. 21
Ab 1948 arbeitet Warneke wieder mit den Großschlachtereien in Bremen zusammen, die er mit seinen Schweinen beliefert.22
Die Schweinemästerei von Warneke ist nach dem Krieg regional bekannt und wird 1950 auch von Besuchern der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) -Tagung in Sulingen besichtigt.24 Warneke unterhält auch einen Schweine-Zuchtbetrieb in Angelse an der Sackstraße - bis Anfang der 1960er Jahre. Die Sauen und Ferkel versorgen Willi und Sophie Stelloh, während auf dem Hof am Mühlenkamp mehrere „Schweinemäster“ die vielen Schweine betreuen.25
Ein Foto der Mühle Ende der 1960er oder Anfang der 1970er Jahre: Hier ist die Mühle wohl schon nicht mehr in Betrieb.26
Initialen am Hoftor (2017)
2017 wird ein Mehlsack der Mühle Joh. Warneke auf ebay angeboten. Es dürfte sich um einen Sack aus der Zeit vor 1952 handeln, da die späteren Säcke der Mühle am Bahnhof einen anderen Aufdruck zeigen (siehe dort).
2018 liegt auf dem Flohrs-Hof (Prothmann) am Mühlenkamp noch ein Mahlstein von der alten Warneke-Mühle. Ein weiterer Mahlstein ist im Fußboden der Garage (ehemaliges Büro der Mühle)
verarbeitet.