6.1.1 Feudalismus und Klasseneinteilungen

Geschichtsgruppe Weyhe

Paul Athmann

Weyhe Februar 2021

 

Inhaltsverzeichnis

 

6.1.1  Feudalismus und Klasseneinteilungen 

6.1.1.1 Leibeigenschaft 

6.1.1.2 Besitzverhältnisse bis zum 19. Jahrhundert 

6.1.1.2.1 Die Adelsgüter 

6.1.1.2.2 Die Meierhöfe: Vollmeier und Halbmeier 

6.1.1.2.3 Kötner, Brinksitzer, Neu-, An- und Abbauer 

6.1.1.2.4 Kleinbrinksitzer, Heuerlinge und Häusler 

6.1.1.2.5 Das Leben der Dienstboten, Mägde und Knechte auf den Höfen 

6.1.1.2.6 Die Bauernhäuser 

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6.1.1 Feudalismus und Klasseneinteilungen

 

6.1.1.1 Leibeigenschaft

 

Seit der Christianisierung und damit der Herrschaft des Frankenreiches unter Karl dem Großen war die dort eingeführte Gesellschaftstruktur auch im Raum westlich der Weser übernommen worden: Die Bauern waren Leibeigene der Ritter und des Adels sowie der Klöster, Kirchenfürsten und Städten.

 

Die folgende Darstellung der Leibeigenschaft ist einem wikipedia-Artikel entnommen (verkürzt): „Die Leibeigenschaft oder Eigenbehörigkeit bezeichnet eine vom Mittelalter bis in die Neuzeit verbreitete persönliche Verfügungsbefugnis eines Leibherrn über einen Leibeigenen.

 

Leibeigene waren zu Frondiensten verpflichtet und durften nicht vom Gutshof des Leibherrn wegziehen. Sie durften nur mit Genehmigung des Leibherrn heiraten und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit. Meist waren Leibeigene auch Grundhörige und oft war der Grundherr zugleich der

 

Leibherr des Bauern. Grundhörige bewirtschafteten Grund und Boden ihres Grundherrn und schuldeten ihm als Gegenleistung Naturalabgaben und Hand- und Spanndienste. Die Leibeigenschaft verstetigte die Grundherrschaft, vergrößerte die Pflichten der Bauern und bewirkte eine doppelte Abhängigkeit der Bauern. Die Leibeigenschaft lag ihrer Ausgestaltung nach oft zwischen Sklaverei und Hörigkeit, erreichte aber nicht die Rechtlosigkeit und Willkürunterworfenheit der Sklaverei. Die Leibeigenschaft unterscheidet sich von der Sklaverei auch dadurch, dass der Leibeigene im Gegensatz zum Sklaven keine handelbare Ware war.

 

Grundherren waren hoher und niedriger Adel, Klöster, Fürstbistümer, Domkapitel oder Städte.

 

Ein Fundament der Leibeigenschaft und der Gutswirtschaft war die Gerichtsherrschaft. Die Gerichtsherrschaft erstreckte sich auf die Straf- und die Zivilgerichtsbarkeit; hinzu kam noch die Polizeigewalt des Gutsherrn. Ein weiterer Schwerpunkt der Leibeigenschaft waren die Dienstverpflichtungen.

 

Die Fronen waren ungemessen; als angemessen galt die jeweils bisherige Übung. Geschriebenes Recht zur Bemessung der Fronen gab es nicht. Wer die Arbeiten nicht nach den Vorstellungen des Gutsherrn ausführte, konnte ohne Inanspruchnahme eines Gerichts körperlich gezüchtigt werden.

 

Leibeigene konnten Eigentum erwerben und vererben. Es beschränkte sich meist auf bewegliche Habe. Leibeigene konnten bei Gutswirtschaft einen bescheidenen Wohlstand erreichen, aber kein Vermögen erwerben. Darlehensverpflichtungen durften Leibeigene nicht auf sich nehmen. Nur mit Einwilligung des Gutsherrn konnten Leibeigene ein Handwerk ausüben. Leibeigene konnten öffentliche Ämter bekleiden.

 

 

Örtliche Bindung an Grund- und Leibherrn

 

Heiraten durften Leibeigene nur mit Genehmigung des Gutsherrn und gegen eine Heiratsabgabe. Ohne Trauschein des Gutsherrn durften Pfarrer keine kirchlichen Trauungen vornehmen. Damit eine Ehe gegen den Willen des Gutsherrn nicht erzwungen werden konnte, war Geschlechtsverkehr unter Ledigen verboten. Die Eheschließung alleine ließ auch die Leibeigenschaft nicht wegfallen. Überwiegend war die „ungenoßsame“ Ehe mit Leibeigenen eines anderen Leibherrn verboten. Bei der Frau bestand die Gefahr, dass sie mit dem Ehemann abzog, und dem Leibherrn die Erwartung auf die Kinder entging. Die Ehe war allerdings nicht unwirksam, sondern wurde mit einer Geldstrafe in Höhen des entgangenen Vorteils oder höher bestraft.

 

Zwischen Territorialherren bestanden Auslieferungsverträge und andere Adlige, Städte, und Handwerkszünfte durften nur Leibeigene aufnehmen, die einen Freibrief des Gutsherrn vorweisen konnten.

 

Die Altersversorgung der Hufner gewährte der Gutsherr dadurch, dass der Hufner eine Altenteilskate auf seiner Hufe beziehen konnte, und sich selbst versorgen konnte. Arzt- und Medizinkosten hatte der Gutsherr zu übernehmen, der Aufwand hierfür blieb gering.

 

 

Verlust der Freiheit

 

Die Leibeigenschaft wurde durch die Geburt begründet; ausschlaggebend war der Stand der Mutter.

 

Freie konnten in Unfreiheit geraten. Die „Verjährung“ des freien Standes trat ein, wenn sich ein Freier in einer Gegend niederließ, wo die ländliche Bevölkerung leibeigen war. Selbst frei geborene Kinder wurden leibeigen, wenn ihre Eltern nach der Geburt leibeigen wurden. Wer sich als Freier nicht mehr wirtschaftlich halten konnte, konnte sich in Leibeigenschaft begeben. Um Wirksamkeit zu erlangen, musste diese Erklärung in einem „Ergebebrief“ schriftlich abgegeben werden.

 

Die Aufhebung der Leibeigenschaft konnte durch Freilassung gegen Entgelt und nach Belieben des Gutsherrn erfolgen. Die Abwesenheit vom Gut hatte die Verjährung des Leibeigentums zur Folge. Bei Ledigen betrug die Frist 31 Jahre, sechs Wochen und drei Tage; bei Verheirateten 10 Jahre.

 

In seltenen Fällen kam es zum Austausch von Leibeigenen zwischen einzelnen Leibherren. Ein Wechsel kam auch auf Initiative von Leibeigenen vor, meist wenn sie heiraten und deshalb wegziehen wollten, aber kein Geld für einen Freikauf hatten.

 

Leibeigene konnten mit Gütern und auch einzeln verkauft werden. Meist verkaufte verarmender niedriger Adel Leibeigene an solventen höheren Adel.

 

 

Entstehung

 

Schon im Altertum war bei den germanischen Stämmen der Unterschied zwischen Freien und Unfreien ausgeprägt. Die Entstehungsgründe der Unfreiheit waren Kriegsgefangenschaft oder Unterdrückung, die dann durch Geburt und Verheiratung weitergegeben wurde und die freiwillige Ergebung, die bereits bei Tacitus Erwähnung findet.

 

Schon im 9. Jahrhundert begannen Grundherrschaft und Leibeigenschaft gehäuft zu werden, auch weil viele vormals Freie die Leibeigenschaft vorzogen, um sich der militärischen Dienstpflicht zu entziehen, die unter den Karolingern zunehmend in Anspruch genommen wurde.

 

 

Leibeigenschaft in der organisierten Grundherrschaft

 

Im 16. Jahrhundert setzte sich die Leibeigenschaft fast überall durch, und in manchen deutschen Territorien wurden nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges viele vorher freie oder hörige Bauern in die Leibeigenschaft gedrängt. Verlassene Bauernhöfe wurden durch die ritterschaftliche Gutsherrschaft eingezogen und dem eigenen Grundbesitz einverleibt, die noch verbliebenen Bauern gerieten in Abhängigkeit. Freilich schärfte sich in den Bauernkriegen der Blick dafür, dass ein gesellschaftliches Zusammenleben auch ohne Leibeigenschaft denkbar war. Vor allem die Heiratsbeschränkungen schürten den Unmut und waren eine wichtige Ursache für den Deutschen Bauernkrieg von 1524 bis 1526.“ 2

 

 

Die Aufhebung der Grundhörigkeit im Königreich Hannover

 

Im Königreich Hannover wurde die Leibeigenschaft 1833 aufgehoben: Nach der Ablösungsordnung von 23.7.1833 hatte der dienstpflichtige Besitzer das Recht, die Ablösung zu beantragen. Die Ablösesumme wurde frei ausgehandelt. Bei Nicht-Einigung setzte das Amt die Summe fest.3

 

Die Erbfolge einer Stelle wurde danach durch Erbverträge geregelt. Als Beispiel mag hier ein Vertrag aus dem Jahr 1848 dienen, in dem die Pflichten der neue gegründeten Familie und auch der abtretenden Eltern genau geregelt waren:4

 

„Ehestiftung des Fr Greve und Anna Margarethe Hoffmann zu Weihe den 11t[en] Mai 1846“ (Schmied u. Anbauer Friedrich Greve, Sudweyhe, 32 Jahre alt, als Sohn und „Stellerbe“; Anne Marga-rethe  Hoffmann, Tochter d. v. Schwicheldtschen Dienstvogtes Harm Hoffmann, 33 Jahre alt/ Bräutigam übernimmt die väterliche Stelle):

 

„Geschehen auf dem Gräflich von Schwicheldtschen Gute Sudweyhe den 4. Februar 1846 […]

 

§.5 Der Vater des Bräutigams und dessen Ehefrau Stiefmutter des Bräutigams – bleiben bei den jungen

Eheleuten wohnen und arbeiten nach Kräften zu Gunsten derselben, wogegen sie von denselben die erforderliche Kleidung, Beköstigung und Pflege zu gewärtigen haben. Nicht weniger haben die jungen Eheleute die jüngeren Geschwister des Bräutigams bis dahin daß sie confirmirt und ihren Unterhalt verdienen können, ebenfalls Kost, Kleidung und Pflege zu geben, wogegen diese sich in den Umständen nach Kräften zu Gunsten jener der Arbeit zu befleißigen haben.“

 

Ein weiterer Vertrag aus dem Jahr 1864: Hofübergabe-, Altenteils-, Abfindungs- und Ehevertrag v. 8. Oktober 1864, in: Privatbesitz (Heinrich Dörgeloh, Weyhe-Sudweyhe):

 

Vor Königlichem Amtsgerichte erschienen:

1, Johann Dörgeloh, ältester Sohn und Anerbe des durch Ablösung freien Köthners Heinrich Dörgeloh

ass. Nr. 12 zu Ahausen, als Bräutigam,

2, dessen Vater, der Köthner Heinrich Dörgeloh ass. Nr. 12 zu Ahausen,

3, dessen volljährigen Schwestern Beke, verheirathet an den Köthner Casten Stubbemann zu Ristedt,

und Wübke, verheirathet an den Köthner Hermann Bartels zu Kl. Borstel,

4, dessen volljähriger Bruder Heinrich Dörgeloh aus Ahausen,

5, Gesche Strothoff aus Sudweyhe, volljährige Tochter des durch Ablösung freien Halbmeiers Hinrich

Strothoff ass. Nr. 12 daher,

6, deren vorgenannter Vater, Halbmeier Hinrich Strothoff ass. Nr. 12 aus Sudweihe.

 

Dieselben baten folgenden unter ihnen verabredeten Stellübergabe-Abfindungs- und Altentheils-Contract nebst

Ehestiftung zu Protocoll zu nehmen.

 

§.1. Der anwesende Köthner Heinrich Dörgeloh übergiebt hiemit an seinen mitanwesenden Sohn und Anerben seine durch Ablösung freie Köthnerstelle ass. Nr. 12 zu Ahausen sammt Zubehör, sowie überhaupt sein gesammtes Vermögen mit Lust und Last, also auch mit den ausstehenden Forderungen und etwaigen Schulden, unter den nachfolgenden Abfindungs- und Altentheils-Bestimmungen und sonstigen Bedingungen zum Eigenthum.

 

§.2. Der abgehende Wirth hat mit seiner verstorbenen Ehefrau Anna geb. Sengstake, folgende noch am Leben befindliche Kinder erzeugt:

1. den Anerben Johann Dörgeloh,

2. Beke Dörgeloh, verheirathet an den Köthner Casten Stubbemann zu Ristedt,

3. Wübke Dörgeloh, verheirathet an den Köthner Hermann Bartels zu Kl. Borstel

4. Heinrich Dörgeloh, sämmtlich volljährig.

 

Den genannten Geschwistern des Stellannehmers werden folgende Abfindungen bestimmt, welche der Stellannehmer denselben zu leisten hat:

 

1. Beke, verehelichte Stubbemann hat an Abfindung bereits erhalten = 1200 rt Gold, geschrieben Zwölfhundert Thaler Gold, und soll noch erhalten = 200 rt Gold geschrieben Zweihundert Thaler Gold.

 

2. Wübke, verehelichte Bartels hat bereits erhalten = 1150 rt Gold, geschrieben Elfhundert Fünfzig Thaler Gold

und soll noch erhalten = 250 rt Gold, geschrieben Zweihundert und Fünfzig Thaler Gold.

 

3. Heinrich soll erhalten

an baarem Gelde 1400 rt Gold, geschrieben Vierzehn Hundert Thaler Gold

eine Commode werth 25 rt Gold

ein vollständiges Bett werth 40 rt Gold

ein Ehrenkleid für den Abzufindenden selbst, werth 25 rt Gold

 

außerdem soll der genannte Heinrich Dörgeloh für die seinem Vater und dessen Stelle geleisteten Dienste dasjenige Geld behalten, welches für ihn bei der Bremer Sparcasse belegt ist, sowie auch dasjenige Geld, welches ihm bereits von dem Vater geschenkt und zu eigenen Verwaltung über-geben ist, endlich soll derselbe diejenigen Sachen behalten, welche ihm von seiner verstorbenen Mutter geschenkt sind, nämlich:

 

einen Kleiderschrank und den Koffer der Mutter nebst allen denjenigen Gegenständen, welche sich in demselben befinden

 

Der abtretende Wirth erklärt, daß sein Allodial-Vermögen, von der Beschaffenheit sei, daß die oben beschriebenen Abfindungen ohne Beschwerung der Stelle aus demselben erfolgen können.

 

Sämmtliche Abfindungen, soweit solche dem Obigen zufolge nicht bereits geleistet sind, sollen bis zum 1. Mai künftigen Jahres geleistet werden, mit alleiniger Ausnahme der dem Sohne Heinrich bestimmten Commode, des Bettes und des Ehrenkleides, indem diese Gegenstände erst bei der Verheirathung des Abzufindenden geleistet werden sollen.

 

Sollte der Sohn Heinrich vor dem er wähnten Fälligkeitstermine seiner Abfindungen ohne Hinterlassung einer Ehefrau oder ohne Hinterlassung von Leibeserben versterben, so soll das baare Geld von 1400 rt Gold unter sämmtliche überlebende Geschwister resp. deren Erben vertheilt werden, wogegen aber die Naturalien in der Stelle verbleiben.

 

Sämmtliche Geschwister des Anerben erklären sich mit den vorbeschriebenen Abfindungen einverstanden und erkennen an, daß sie, falls solche geleistet würden, von der väterlichen Stelle und dem elterlichen Vermögen gänzlich abgefunden seien.

 

§.3. Der Sohn Heinrich soll außer der obenbeschriebenen Abfindung bis zu seiner Verheirathung auf der abgegebenen Stelle freien Unterhalt, Kleidung, freie ärztliche Hülfe und Medicin und einen jährlichen Notgroten von 10 rt buchstäblich zehn Thaler Courant erhalten, wogegen derselbe verpflichtet sein soll, nach Anordnung des Stellannehmers zum Besten der Stelle zu arbeiten.

 

§.4. Der abtretende Wirth bestimmt für sich im Einverständnisse des Stellannehmers folgenden von der Stelle zu leistenden Altentheil:

 

  • 1. den besten Sitz und das Bett nebst Schlafstelle hinter dem Ofen, auch besonderen Tisch hinter dem Ofen,
  • 2.freies Essen und Trinken, nach Anordnung des Altentheilers, namentlich auch dessen Gesundheitsumständen angemessen
  • 3. Sonn- und alltägliche Kleidung nebst freier Wäsche, Licht und Feuerung sowie auch freie ärztliche Hülfe und Medicin, Alles den Standesverhältnissen gemäß.
  • 4. Freier Gebrauch des Wagens nebst Pferden und Fuhrmann, falls nicht nothwendige Pferdearbeit dieses verhindert,
  • 5. gehörige und freundliche Aufwartung, namentlich in Krankheitsfällen,
  • 6. als Nothgroten jährlich zehn Thaler Gold, in halbjährigen Raten Ostern und Michaelis zahlbar, zum ersten Male Ostern 1865. Nothgrotens-Rückstände, welche nicht binnen 6 Wochen nach dem Fälligkeitstermine eingeklagt sind, gelten als erlassen.
  • 7. Die Nutzung von 3 Morgen Grasland hinter dem Deiche, zwischen Luers und Siemers Lande belegen, mit Allem was dieselben jährlich einbringen.
  • 8. Außerdem behält sich der Altentheiler von dem übergebenen Vermögen = 200 rt Gold geschrieben Zweihundert Thaler Gold zur beliebigen Nutzung und Verwendung vor.

Gegen den Altentheil arbeitet der Altentheiler nach seinem Belieben zum Besten der Stelle.

 

 

§.5. Der Stellannehmer Johann Dörgeloh beabsichtigt sich mit der anwesenden Gesche Strothoff zu   verheirathen, und haben die angehenden Eheleute für den kinderlosen Todesfall die landesübliche Eheregel "längst Leib, längst Gut" unter sich verabredet und festgesetzt, wollen aber nicht in allgemeiner Gütergemeinschaft sondern in getrennten Vermögens-Verhältnissen mit einander leben. Die anwesenden Väter der Brautleute erklären sich mit jener Bestimmung einverstanden, und erkennen zugleich an, daß ihnen beim Eintreten derselben eine Erb- oder Pflichttheilsberechtigung nach dem angeführten Gewohnheitsrechte nicht zustehe.

 

§.6. Die Braut bringt dem Bräutigam ihr gesammtes Vermögen als Brautschatz in die Ehe, dasselbe besteht:

1. aus einer standesmäßigen Aussteuer, welche am Brautmorgen von dem Vater geleistet wird,

2. aus einer baaren Abfindung aus der väterlichen Stelle und dem elterlichen Vermögen von 1500 rt Gold geschrieben Fünfzehnhundert Thaler Gold, welche bis zum 1. Mai 1865 von dem Vater der Braut, eventuell von dessen Stellnachfolger geleistet wird.

 

Mit dieser Abfindung ist die Braut von der väterlichen Stelle und dem elterlichen Vermögen gänzlich abgefunden.

 

 

6.1.1.2 Besitzverhältnisse bis zum 19. Jahrhundert

 

6.1.1.2.1 Die Adelsgüter

 

Die in Weyhe liegenden Adelsgüter haben ihren Ursprung vermutlich überwiegend im Weyhenhof Gut Kirchweyhe 1) der Familie von Weyhe (ursprünglich wohl ein Lehen des Erzbistums Bremen). Die im 16. Jahrhundert entstandenen Adelsgüter Kirchweyhe 2 (von Hademstorff), Sudweyhe 1 (von Horn, von Quiter), Sudweyhe 2 (Frese) und Sudweyhe 3 (von Horn, von Hademstorff, Finterei) sind vermutlich Abspaltungen dieses Lehens. Dazu kam der Freisassenhof Bremer (Kirchweyhe 3), das Gut Leeste (Quiter) und das Gut der von Mandelsloh (Kirchweyhe 4).

 

Diese Güter sind größtenteils aus den Lehen der Grafschaften Bruchhausen und Hoya hervorgegangen (Burglehen), wobei die in Weyhe liegenden Lehen des Erzbistums der Grafschaft Bruchhausen zugerechnet wurden und damit mit der Bruchhauser Grafschaft an die Hoyaer fielen.

 

Im 19. Jahrhundert sind 6 der acht Güter nicht mehr existent: Sie sind entweder im Fideikommis des Gutes Sudweyhe 2 aufgegangen (Sudweyhe 3, Kirchweyhe 1, Kirchweyhe 2), zum Meierhof geworden (Kirchweyhe 4) oder abgebrannt und in einen anderen Hof integriert (Gut Leeste, Freisassenhof Bremer).

 

Es blieben 2 Güter: Das Gut Sudweyhe 1 (v. Frese gen. Quiter, v. d. Decken, Wetjen) und das Gut Sudweyhe 2 (von Fabrice, von Schwicheldt, von Hardenberg). Sie wurden von Sudweyher bzw. Bremer Landwirten aufgekauft und sind als größere Bauernhöfe von ihnen bewirtschaftet.

 

Die abhängigen Bauern lösen sich spätestens im 19. Jahrhundert aus der Leibeigenschaft von den Adelsgütern. Dies geschieht durch Zahlung einer Ablöse -Summe, wobei den Grundherren noch eine Entschädigung vom Staat zusätzlich bezahlt wird.

 

 

6.1.1.2.2 Die Meierhöfe: Vollmeier und Halbmeier

 

Im Heimatbuch Kirchweyhe wird die Bauernklasse „Meier“ so beschrieben: „Der ‚Meier‘ wurde vom Grundherrn auf einen Haupthof, den ‚Sal‘- oder ‘Fronhof‘ (Herrenhof) gesetzt, d.h. mit ihm ‚bemeiert‘. […] Der ‚Meier‘ bewirtschaftete das Land als Beamter im Auftrage seines Herrn mit Hilfe der hand- und spanndienstpflichtigen Hörigen.“ 5

 

Diese Hörige hatten ihre Höfe im gleichen Ort oder in den Nachbar-Orten und bildeten eine „Villikation“. Der Meier war dabei nicht ein Beamter im heutigen Sinn, sondern eher ein Verwalter eines oder mehrerer Höfe seines Herrn.

 

Im 16. Jahrhundert bildete sich unter der Herrschaft der Welfen eine besondere Form des Meierrechts heraus: “Der Begriff ‘Meier’ stand nun nicht mehr für den ‘villicus’ des Früh- und Hochmittelalters, d.h. den Verwalter eines Fronhofes, er umfasste jetzt alle Bauern. Das Meierrecht sicherte ihnen ein erbliches Nutzungsrecht und schützte sie vor willkürlichen Erhöhungen der grundherrlichen Abgaben und Dienste. Darüber hinaus durften Höfe weder geteilt noch von den Obereigentümern, d.h. den Grundherren, in deren Gutsbetriebe eingegliedert werden. Herausgebildet hatte sich das Erbmeierrecht infolge der Erstarkung der Landesherrschaft. Um den ständigen Ausbau des Verwaltungs- und Militärapparates sowie ihrer Hofhaltung finanzieren zu können, brauchten die Regenten die Bauern als Steuerquelle. Sie schränkten deshalb die Rechte der Grundherren in zunehmendem Maße ein und stärkten dadurch die Wirtschaftskraft aller Höfe innerhalb ihrer Territorien. Diesbezüglich fanden die neuen Regenten im Amt Syke eine günstige Ausgangsposition vor, denn sie selbst waren hier die bedeutendsten Grundherren: Von den rund 700 Höfen, die es 1582 im Amtsbezirk gab, fielen mehr als 430 an die Welfenherzöge, darunter allein 159 von insgesamt 290 Betrieben der oberen bäuerlichen Schicht (den später so genannten Voll-, Dreiviertel- und Halbmeierhöfen).“

 

“Nachzutragen bleibt, dass nicht alles, was die Bauernfamilien besaßen, zugleich (Ober-)Eigentum ihrer Grundherren war. Arbeitsgeräte, Wohninventar, Bargeld, das Vieh und die eingebrachte Ernte gehörten zum Allod bzw. Allodialvermögen der Bauern, über das sie uneingeschränkt verfügen konnten. Nach einer Verordnung des Celler Herzogs Georg Wilhelm vom 1. Juli 1699 wurde der halbe Wert der ungeernteten Ackerfrüchte und des noch an den Bäumen hängenden Obstes sowie derjenigen Hofgebäude, die innerhalb der letzten drei Generationen auf Kosten der bäuerlichen Familie erbaut worden waren, ebenfalls zum Allod gerechnet.“ 6

 

Ab dem 14. Jahrhundert durfte ein Meier seinen Hof weitgehend selbständig bewirtschaften, musste aber den im „Meierbrief“ niedergelegten Verpflichtungen gegenüber seinem Grundherrn Folge leisten, also diverse Abgaben, zunächst in Abgaben aus der Ernte des Hofes, später in Geld.

 

Wenn ein Meierhof an mehrere Erben gehen sollte, wurde er geteilt in zwei „Halbmeier“. Diese konnten wieder in 2 „Viertelmeier“ zerfallen. Der ursprüngliche, ungeteilte Meierhof wurde dann auch „Vollmeier“ genannt. Anfang des 16. Jahrhunderts hießen die Vollmeier „Vollspenner“.

 

Die Unteilbarkeit des Hofes hatte sich jedoch in der Region um Weyhe durchgesetzt. In der frühen Siedlungsphase hatte es offenbar aber noch Teilungen gegeben.7 Ab 1618 wurde in der Grafschaft Hoya die Teilung untersagt. 8

 

Beispiele für Meierhöfe in Weyhe:

  • Meierhof des Ansgarii-Kapitels (Leeste): villicus de Leste
  • Hof Kirchweyhe Nr. 9, Meyer-Wiertzema (Kirchweyhe): wohl Meierhof des Erzstiftes Bremen
  • Hof Sudweyhe Nr. 14, Mohrmann (Julius Meyer): Meier des Bremer Paulsklosters seit 1442
  • Hof Sudweyhe Nr. 7, Kops-Esdohr

 

1585 gab es (inklusive Halbmeier)

  1 Meier in Ahausen,

  5 Meier in Dreye,

11 Meier in Kirchweyhe,

  1 Meier in Sudweyhe,

  1 Meier in Jeebel,

  1 Meier in Lahausen,

18 Meier in Leeste ,

  0 Meier in Erichshof,

 

in der Summe also 38 Meier in Weyhe.

 

 

Meierhof zu Leeste

 

Um 1187 wird das Ansgari-Kapitel in Bremen gegründet. Unter den abgabenpflichtigen Meiern der Kirche wird auch der Meier zu Leeste genannt. Jedes Jahr um Ostern muss er 30 Brote nach Bremen für die dort stattfindenden Armenspenden liefern: „villicus de Leste triginta panes“.9 Die Abgaben betragen noch um 1500 ca. 100 Scheffel Roggen sowie den Schmalzehnten.10 Bei dem Meierhof soll es sich eventuell um einen Haupthof mit mehreren angegliederten Höfen gehandelt haben.11 Dieser Hof in “Leste” wird dann auch 1188 in einer Bestätigungs-Bulle des Papstes Klemens III für das Stift St. Ansgari in Bremen erwähnt.12 Es ist aber unwahrscheinlich, dass dieser Meierhof während der Kolonisation angelegt wurde. Vielmehr dürfte er schon vorher bestanden haben.

 

Im Erbregister der Grafen von Hoya wird ca. 1350 “Wulberen de krogher” aufgeführt.13 Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um den Meierhof handelt.

 

Im Erbregister von 1585 und im Winkel-Buch des Ansgarii-Kapitels sind folgende Höfe als Lehen von St. Ansgari aufgeführt:

 

  • Vollmeyer Cordt Eylers „Hat 40 Stücke landes klein und groß 20 fuder hew, gibt davon Michaelisschatz 3 f, Heringsschatz 1/2 f, Meyschatz 1/2 f, 1 Kühe, 1 Rindt, 1 fet undt 1 mager Schwein, 2 Hüner und von einer wische bey der Ocken 1 Bremer f., dienet dem Hauß Sieck mit einem volligen Spann, gibt den Zehenden ans Stift S. Anschary zu Bremen.“
  • Halbmeier Berens (Hörden) "20 Stück landes "
  • Ihden Der Hof wird 1585 im Verzeichnis der Güter des Ansgariikapitels zu Bremen („Winkelbuch“) aufgeführt.14
  • Precht Ebenfalls im Winkelbuch: „Johann Precht zu Leeste, ziehet aus etzlicher Ländereye [in Brinkum] die dritte und vierte Hocke, wie infra bey eines jeden Coloni Beschreibung ausgeführet. Wan Korn drauf stehet, wirdt die dritte Hocke, wie auch von Heuwe die dritte Fieme gezogen.“15

 

Meierhof in Kirchweyhe

 

Im Erbregister von 1585 heißt es unter Kirchweyhe: „Daß Erzstift Bremen hat auch ein frey Sattelhoff, darauf sie ein Meyer haben, welcher alle Jahr nach gelegenheit des Korns die Pachte bezahlen muss.“

 

Wer dieser Meyer war und welcher der Sattelhof, wird nicht mitgeteilt. Gercke Blocks als der Vollspenner mit den 60 Stücken Land käme da wohl infrage. Nach Schacht ist der Hof Kirchweyhe Nr.9 am Kirchplatz gemeint. Dieser Meier hatte im 16. Jahrhundert den gesamten Landbesitz des Erzstiftes Bremen in Kirchweyhe und Umgebung zu bewirtschaften.

 

Im Erbregister von 1585 werden folgende Höfe als Lehen des Erzstiftes aufgeführt:

  • Vollspenner Gercke Blocks (60 Stücke Land)
  • Vollspenner Claus Schierenbeck (5 Stücke Land)
  • Vollspenner Hinrich Danecken (7 Stücke Land)
  • Vollspenner Dierich Tebelmann (6 Stücke Land)
  • Lütke Schierenbeck (wohl auch Vollspenner)
  • Halbspenner Wicheman Siemers (3 Stücke Land)
  • Warnecke Wetcken (6 Stücke Land)

 

Für den Kirchweyher Meierhof ist auch ein Schriftstück über eine besondere Erbfolge erhalten:

 

Mitte des 18. Jahrhunderts: Erörterung eines schwierigen Erbfolge-Falles im Meierrecht an der juristischen Fakultät in Göttingen:16

 

"Hat Johann Meyer, ein freyherrlich Stechinellischer Köllmeyer zu Weyhe in dem Hoyaschen Amte Siecke, dessen Meierhof Dienst- und Zehendfrey ist, und für 7000 bis 8000 Rthlr werth gehalten wird, unter seine drey Söhnen die Einrichtung getroffen, daß er seinen ältesten Sohn, Henrich Meyer, welchem vermöge der Landes- Gesetze die Succession in dem väterlichen Meyerhofe zugekommen, als er sich in seinem 19ten Jahr mit Wübke Brünings, einer Anerbin eines herrschaftlichen Vollmeyerhofes zu Felde in eben demselben Amte am 16the Juli 1750 verlobet, 800 Rthlr am Gelde mitzugeben versprochen, und daß derselbe auf den erheyratheten Hof zu Felde ziehen und demnächst seiner Braut Schwester Annen Brünings, welche seinen Bruder Gödeke Meyer heyrathen sollen, 1500 Rthlr zur Aussteuer geben sollte.

 

Als auch darauf bey Vollziehung jener Ehe dem freyherrlich Stechinellischen mandatio am 2.Juni 1751 von dem bemeldtem Johann Meyer neben seinem ältesten Sohn Henrich Meyer die Anzeige geschehen:

 

daß dieser sein ältester Sohn gewillet wäre, mit Wübke Brünings zu Felde sich zu verehelichen, und mithin den ihr nach ihrer Mutter Ableben zugehörenden Meyerhof daselbst zu beheyrathen; hingegen den ihm nach seines Vaters Ableben anzuerbenden Meyerhof zu Weyhe an seinen zweyten Bruder Gödeke Meyer solchergestalt zu überlassen, daß ihm ausser 600 Rthlr pro dote noch für einen Abtritt 100 Rthlr berichtigt würden.

 

So hat nicht nur besagter Gutsherrlicher mandatarius solches zu Protokoll genommen, sondern es ist auch am 4. Juni 1751 von wegen des Amtes zu Siecke darüber die Confirmation ertheilet, und ist ferner unter dem 8. Jun. 1751 ein nochmaliger Vertrag darüber ausgefertigt, und am 12. Jun. 1751 abermals vom Amte confirmiret worden […]:

 

Nachdem aber mehrbedachter Henrich Meyer nach erlangter Volljährigkeit wahrgenommen, wie er durch diesen Abtritt sehr verkürzet sey, […] im May 1761 zur Klage geschritten; wiewohl ihn hernach der Taufschein belehret, daß er schon mit Ausgang des Sept. 1760 sein 29tes Jahr erreichet gehabt.

 

[…] ... es folgen verklausulierte Fragen, ob Aussicht auf Erfolg der Klage besteht, sowie juristische Antworten darauf. Die Entscheidung mündet in der Anweisung, dass kein Hofbesitzer den erstgeborenen Sohn von dem Anerbe ausschließen kann, wenn dieser tüchtig ist, den Hof zu bewirtschaften.

 

 

Erbfolge des Meyerhofes Kirchweyhe Nr. 9: 17

 

Johann Meyer (* vor 1710, + vor 1761)

Söhne: Henrich (* 1731), Gödeke (*nach 1732)

1750 Goedje Meyer * 1696 + 26.10.1777

Anne Wetjen * 1712 + 1777

Gretje Daneke * 1744 + 1809

1793: Albert Meyer * 1744 + 1806 Interimswirt

Gesche Warneke * im.03.1749 + 05.11.1786

Gretje Daneke, Wwe Goedje Meyer heiratet Albert Meyer aus Okel OO 26.06.1794

Kinder : Johann * 01.09.1768 + 09.01.1793

178x: Johann Meyer * 01.09.1768 + 09.01.1793

Becke Margarethe Meyer * 14.02.1773 + 14.05.1810

1794: Friedrich Meyer aus Okel * im.11.1771 + 23.12.1815 Antritt 1794

Becke Margarethe Meyer * 14.02.1773 + 14.05.1810 Witwe OO 04.07.1794

Kinder : Gesche Margarethe * 15.01.1797 + 09.01.1870

Anne Adelheid * 01.03.1799 + 13.06.1860 OO VM Wetjen Ahausen

Johann Friedrich * 02.11.1807 + 10.12.1834

1817: Hermann Blohm Interimswirt * 31.03.1787 + 15.12.1856 Antritt 1817

Mette Daneke * im.06.1791 + 17.06.1827 OO 28.03.1817

1832: Johann Friedrich Meyer * 02.11.1807 + 10.12.1834

Adelheid Brandeke * 06.06.1811 + 01.12.1892 OO 29.10.1832

Kinder : Johann Friedrich * 27.06.1835 + 29.04.1903

die Witwe führt vorläufig die Wirtschaft

1873: Johann Friedrich Meyer * 27.06.1835 + 29.04.1903

Gesche Reiners * 24.02.1851 + 29.11.1938 OO 24.06.1873

Kinder: Adele * 04.08.1874 + 18.01.1936 OO 16.11.1894 VM Daneke

Gesine * 07.09.1875 + 24.10.1956 OO 27.04.1900 VM Wetjen Sudweyhe Nr. 4

Friedrich * 13.08.1877 + 20.12.1936

Dora Maria * 16.01.1884 + 13.03.1957 OO 03.01.1908 VM Ahrens

Heinrich Hermann * 22.09.1888 + in Berne

1913: Friedrich Meyer * 13.08.1877 + 20.12.1936

Adelheid Marie Wetjen * 13.06.1891 + 27.11.1957 OO 04.12.1913

nach Esdohr: Ella Wetjen (*1891, + 1957) von Sudweyhe Nr. 4

Kinder: Adelheid Marie Gesine * 01.11.1914 +

Marie Adelheid Meyer * 01.11.1914 +

Hermann Meyer aus Beppen + in Gefangenschaft 1946

Kinder :Hanna Elisabeth * 12.08.1939

Friedrich Hermann * 25.10.1940

1965: Friedrich Hermann Meyer * 25.10.1940

Hanna Lampe - Wallenstedt * OO 12.03.1965

2009: Wiertzema, Jan, Meyer-Wiertzema, Hilke [Adrbuch]

 

Das Meierrecht hatte als Hauptziel, den Meierhof dauerhaft ungeteilt als wirtschaftliche Einheit und in gutem und ertragsfähigem Zustand zu erhalten, nicht nur bezüglich des dazu gehörenden Landes, sondern auch der Gebäude und Einrichtungen. Gegen die Zahlung eines festen jährlichen Meierzinses in Form von Geld- und Naturalabgaben an den Grundeigentümer übertrug dieser dem Meier das Recht zur Nutzung des Hofes unter bestimmten weiteren Bedingungen. Insbesondere musste der Meier seinen Hof selbst bewirtschaften, er durfte also nicht als reiner Verwalter mehrerer Meiergüter auftreten. Es war ihm verboten, das Meiergut zu beleihen oder zu verpfänden. Er hatte den Hof in gutem Zustand zu erhalten (Bodenfruchtbarkeit, Tiergesundheit, Gebäude und Einrichtungen), was vom Grundeigentümer fortlaufend kontrolliert wurde.

 

Im Gegenzug war auch der Grundeigentümer an seinen Meier gebunden. Er durfte den vereinbarten Meierzins nicht erhöhen. In bestimmten Sonderfällen, wie Missernten, Viehsterben, Feuersbrunst oder Neubauten musste er zudem auf einen Teil des Meierzinses verzichten oder auch selbst investieren. Das Risiko höherer Gewalt wurde also auf Grundeigentümer und Pächter verteilt.

 

 

Das Meierrecht als Höfeordnung des 19. und 20. Jahrhunderts18

 

Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts bewirtschaftete der überwiegende Teil der Bauern im Amt Syke ihr Anwesen auf der Grundlage einer im Verlauf des 16. Jahrhunderts entstandenen Form des sogenannten Meierrechts, dessen Wurzeln bis in das 12. Jahrhundert zurückreichen. Der Begriff „Meier“ stand hier nicht mehr für den „villicus“ des Früh- und Hochmittelalters, er umfasste jetzt alle Bauern. Das Meierrecht sicherte ihnen ein erbliches Nutzungsrecht und schützte sie vor willkürlichen Erhöhungen der grundherrlichen Abgaben und Dienste. Darüber hinaus durften Höfe weder geteilt noch von den Obereigentümern, d.h. den Grundherren, in deren Gutsbetriebe eingegliedert werden. Herausgebildet hatte sich das Erbmeierrecht infolge der Erstarkung der Landesherrschaft. Um den ständigen Ausbau des Verwaltungs- und Militärapparates finanzieren zu können, brauchten die Regenten die Bauern als Steuerquelle. Sie schränkten deshalb die Rechte der Grundherren in zunehmendem Maße ein und stärkten dadurch die Wirtschaftskraft aller Höfe innerhalb ihrer Territorien. Diesbezüglich fanden die neuen Regenten im Amt Syke eine günstige Ausgangsposition vor, denn sie selbst waren hier die bedeutendsten Grundherren: Von den rund 700 Höfen, die es 1582 im Amtsbezirk gab, fielen mehr als 430 an die Welfenherzöge, darunter allein 159 von insgesamt 290 Betrieben der oberen bäuerlichen Schicht (den später so genannten Voll-, Dreiviertelund Halbmeierhöfen).19

 

Nachzutragen bleibt, dass nicht alles, was die Bauernfamilien besaßen, zugleich (Ober-)Eigentum ihrer Grundherren war. Arbeitsgeräte, Wohninventar, Bargeld, das Vieh und die eingebrachte Ernte gehörten zum Allod bzw. Allodialvermögen der Bauern, über das sie uneingeschränkt verfügen konnten. Nach einer Verordnung des Celler Herzogs Georg Wilhelm vom 1. Juli 1699 wurde der halbe Wert der ungeernteten Ackerfrüchte und des noch an den Bäumen hängenden Obstes sowie derjenigen Hofgebäude, die innerhalb der letzten drei Generationen auf Kosten der bäuerlichen Familie erbaut worden waren, ebenfalls zum Allod gerechnet.20

 

Das Meierrecht, so Karl-Hans Hauptmeyer, „ist eine charakteristische Anpassungsform der Grundherrschaft an die Bedingungen der Lage des nordwestdeutschen Raumes am Rande der ökonomischen Zentren Europas, aber entfernt von den Peripherien. Seine Festigung hing unmittelbar mit der Stabilisierung des Territorialstaates zusammen. Während im wirtschaftlich entwickelten Westeuropa die freie Zeitpacht – gerade in den ökonomisch führenden städtischen Ballungsgebieten – an Bedeutung zunahm und während sich in Osteuropa die Tendenz zur Gutswirtschaft zeigte, gelangte der niedersächsische Raum in eine Mittelstellung, aus der sein agrarstrukturelles Charakteristikum, das Meierrecht, erwuchs.“21

 

 

Erbschaftsrechte 22

 

Das Erbregister von 1580 enthält den Hinweis, dass im Amt Syke der Jüngste den elterlichen Betrieb erhielt, oder, sofern es keinen männlichen Erben gab, die jüngste Tochter.23 Noch um 1700 galt diese Regel in einigen Gegenden der Grafschaft Hoya.24 Im Amt Syke setzte es sich offenbar schon während des 17. Jahrhunderts durch, dem ältesten Sohn bzw. der ältesten Tochter und deren Ehemann den Hof zu überlassen. Unter Angabe von triftigen Gründen hatte der Grundherr jedoch die Möglichkeit, den rechtlich vorgesehenen Hoferben als künftigen Meier abzulehnen.

 

Zumeist fand die Betriebsübergabe noch zu Lebzeiten des „alten Hauswirtes“ oder seiner Witwe statt, was wie heute auch damals nicht zwangsläufig hieß, dass die ältere Generation die Zügel aus der Hand gab, sobald das für die Nachfolge vorgesehene Kind in den Stand der Ehe getreten war. Hatten zum Beispiel die Nachrücker noch nicht das Volljährigkeitsalter (25 Jahre) erreicht, behielten sich „Altvater“ und „Altmutter“ die Wirtschaftsführung „bis auf Weiteres“ vor.25

 

 

Hofübernahme und Brautschätze 26

 

Häufig fanden Hofübernahmen in Verbindung mit einer bevorstehenden Heirat des Anerben oder der Anerbin statt. Ein Meierbrief nahm den Nachfolger und seine Braut in die Pflicht. Sie sollten den Hof in herkömmlicher Weise bewirtschaften, getreulich die geforderten Dienste leisten und ihre Abgaben zahlen. Ohne Wissen des Grundherrn durfte kein Land verkauft, getauscht, mit Schulden belastet oder verpfändet werden. Erfüllte ein Meier – der Begriff erstreckte sich, wie oben erläutert, auf alle abhängigen Bauern – die ihm auferlegten Pflichten nicht, konnte er von seinem Grundherrn „abgemeiert“ und der Hof einem neuen Besitzer übergeben werden. Das allerdings geschah nur höchst selten.

 

Starb der Erbe oder die Erbin nach Vollzug der Ehe, ging der Hof in der Regel in den Besitz des eingeheirateten Ehepartners über, selbst wenn weitere wirtschaftsfähige Brüder des bzw. der Verstorbenen auf dem Hof arbeiteten. Für den Fall, dass aus der Ehe keine Leibeserben hervorgingen bzw. vor dem Ableben eines der Ehepartner starben, setzten die Brautleute in Eheverträgen die in der Grafschaft Hoya bestehende Regel „Längst Leib, längst Gut“ fest, der zufolge jeder der Ehegatten den anderen allein beerbte.

 

Hinterließ der Hofbesitzer bei seinem frühzeitigen Tod Kinder und die Witwe heiratete ein zweites Mal, so bezeichnete man den zweiten Ehemann als „Interimswirt“. Fortan stand er dem Hof vor; bis um 1800 nahm er, wie alle Männer, die einheirateten, auch den Familiennamen seiner Ehepartnerin, d.h. des Vorgängers, an. Seine Nachkommen hatten zumeist keine Chance, die Hofnachfolge anzutreten, wenn Kinder aus der ersten Ehe der Witwe vorhanden waren.

 

In Eheverträgen wurden die Höhe des einzubringenden Brautschatzes, der Mitgift, festgeschrieben, aber auch die Abfindung etwaiger Geschwister des Hoferben oder der Hoferbin. Darüber hinaus finden sich detailierte Vereinbarungen über den zu gewährenden Altenteil des abtretenden Besitzer- Ehepaars.

 

Der Brautschatz war in der Regel großzügig bemessen und überforderte nicht selten die Bauernhöfe. Auch die Mitgift der Männer, die ihr Elternhaus verließen, wurde übrigens als Braut- und nicht als Bräutigamsschatz bezeichnet.

 

Angaben des Amtes Syke über die Durchschnittswerte des Brautschatzviehs im Jahr 1747:27

 

                                   auf der Geest                                    in der Marsch

1 Pferd                       20 Reichstaler                                   20 Reichstaler

1 Fohlen                      8 Reichstaler                                    12 Reichstaler

1 Kuh                           8 Reichstaler                                    12 Reichstaler

1 Rind                          4 Reichstaler                                      6 Reichstaler

1 Schwein                    1 Reichstaler                                      1 Reichstaler

1 Schaf                      12 Mariengroschen                             12 Mariengroschen

 

In einem Inventarverzeichnis der Brinksitzerstelle Clues Nr. 7 vom 19. Oktober 1829 erscheinen folgende Wertangaben:

                   

1 schwarzbunte Kuh                            18 Reichstaler

1 schwarzbunte Kuh                            12 ½ Reichstaler

1 schwarzbuntes Kalb                           4 Reichstaler

1 Schwein                                            11 Reichstaler

1 Schwein                                              4 Reichstaler

 

 

Die Herrendienste 28

 

Der Begriff „Meier“ erstreckt sich in den 1580 und 1583 entstandenen Lagerbüchern des Amtes Syke noch nicht auf jeden Hofbesitzer, er wird nur für diejenigen Bauern verwendet, die in dem 1585 erstellten Erbregister als Vollspänner und später als Vollmeier bezeichnet werden.29 Nahezu alle Vollspänner des Amtes Syke, die der Grundherrschaft ihrer Landesherren unterstanden, waren wöchentlich zur Ableistung von je zwei Spanndiensttagen mit vier Pferden (mit vollem Gespann) und je nach Bedarf mit Ackerwagen, Pflug oder sonstigen Arbeitsgeräten verpflichtet. Hinzu kamen zwölf „Nebentage“,30 d.h. Spanndienste, die offenbar in der arbeitsreichen Saat- und Ernteperiode abgefordert wurden, so dass Vollmeier gelegentlich mehr als nur zwei Wochentage eine Arbeitskraft mit Gespann und Arbeitsgeräten stellen mussten.31

 

Die Anzahl der Diensttage richtete sich nach der Hofgröße und damit auch nach den Nutzungsrechten auf den Gemeinschaftsflächen.32 Die Besitzer eines Brinksitzer Hofes waren zur Ableistung von Handdiensten auf einem der landesherrlichen Vorwerke (Syke oder Erichshof) bzw. auf deren Betriebsflächen verpflichtet. Ein Arbeitstag pro Woche wurde von ihnen gefordert.33 Hinzu kamen drei sogenannte extraordinäre Handdiensttage. Tatsächlich jedoch wurden nicht alle Dienste benötigt. Vor allem außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeitsspitzen war der Bedarf gering. 1636 erklärte der Syker Amtsvogt,34 die Gespanne der Vollmeier würden in der Saat- und Erntezeit nicht

 

nur zweimal, sondern bis zu viermal in einer Woche erscheinen. Danach aber hätten sie etliche Wochen frei. Den Winter über seien die Dienste oftmals gar nicht erforderlich. Um 1770 musste auf den landesherrlichen Vorwerken des Amt Sykes im Jahresdurchschnitt sogar nur ein Drittel aller Herrendienste abgeleistet werden.35 Der Rest wurde monetär abgegolten.

 

Die pflichtigen Bauern betrachteten die Arbeit auf den Äckern der Vorwerke als lästiges Übel. Sie wurde demzufolge, wie der Heiligenroder Ortsgeistliche Ende des 18. Jahrhunderts beobachtete, „unordentlich und unfleißig“ verrichtet.36 Die durchaus zutreffende Kritik entsprach dem Zeitgeist und war ein wesentlicher Grund für die „Abstellung des Natural-Dienstes“, die 1783 zwischen dem Gros der landesherrlichen Bauern des Syker Amtsbezirkes und ihrem Grundherrn Georg III., König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover, vereinbart wurde.37 Einer der ersten Schritte auf dem Weg zu einer umfassenden Agrarreform. Der entscheidende Durchbruch jedoch sollte erst 1833 folgen, als die Ablösungsordnung für das Königreich Hannover in Kraft trat. Jetzt erst erhielten die Bauern das Recht, sich durch Zahlung einer Entschädigung von den Feudallasten zu befreien.

 

 

Heutige Höfeordnung

 

Alle Höfe unterliegen heute der Höfeordnung. Sie ist ein die Erbschaftsregelung eines Bauernhofs betreffendes Gesetz des Bundes, das geschichtlich auf die Erbschaftsregelungen der Sachsen zurückgeht, wonach der im Familienbesitz befindliche Bauernhof ungeteilt an den ältesten männlichen Erben gehen musste (Anerbenrecht).

 

Historisch gesehen führte die Höfeordnung dazu, dass einerseits die Landwirtschaft in Norddeutschland über Jahrhunderte hinweg produktiver ablief als in Süddeutschland, andererseits viele zweit- oder drittgeborene Söhne aus Bauernfamilien als Knechte arbeiten oder ihr Glück in der Fremde suchen mussten.

 

Das ursprünglich zersplitterte Höferecht wurde 1933 durch das Reichserbhofgesetz der Nationalsozialisten zwar vereinheitlicht. Es diente laut Hermann Göring dazu, die Höfe vor „Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang zu schützen“, war aber zugleich Ausdruck der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie.

 

Ein Erbhof sollte laut dem Gesetz mindestens die Größe besitzen, die zur Existenzsicherung eines bäuerlichen Familienbetriebes notwendig ist, und höchstens 125 Hektar groß sein. Der Erbhofeigentümer wurde per Gesetz als Bauer, alle anderen als Landwirte bezeichnet. Bauer konnte nur sein, “wer deutschen oder stammesgleichen Blutes ist. Deutschen oder stammesgleichen Blutes ist nicht, wer unter seinen Vorfahren väterlicher- oder mütterlicherseits jüdisches oder farbiges Blut hat“. Während diese Bestimmung der Ausgrenzung „nicht-arischer“ Bevölkerungsgruppen diente, bestimmten die Vorschriften, dass der Hofbesitzer „bauernfähig“ und „ehrbar“ sein musste, einem Inhaber bei Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht oder Verschwendung die Wirtschaftsfähigkeit abgesprochen und ein „Abmeierungsverfahren“ eingeleitet wurde.

 

Dieses Gesetz hatte neben den rassistischen Ausgrenzungen und den Herabstufungen zu “Landwirten” auch unter den verbliebenen “Bauern” zur Folge, dass die Höfe nicht mehr kreditwürdig waren, da der Boden nicht mehr veräußert werden konnte und daher keine Sicherung den Banken gegenüber mehr darstellte. Auch fühlten die Bauern sich “enteignet”, da sie nicht mehr frei über ihr Land verfügen konnten.38

 

Mit dem Kontrollratsgesetz aus dem Jahr 1947 wurde das Reichserbhofgesetz aufgehoben und die ursprüngliche Rechtslage wiederhergestellt. Im selben Jahr erließ die britische Militärregierung die Höfeordnung als in der britischen Zone einheitliches Besatzungsrecht. Mit der Neufassung von 1976 ging die Höfeordnung vollständig in das deutsche Bundesrecht über. 39

 

Juristisch unterliegt ein Hof der Höfeordnung, wenn die landwirtschaftliche Besitzung über eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle verfügt, und einen in der Höfeordnung bestimmten Mindestwirtschaftswert besitzt. In bestimmten Fällen ist eine Erklärung des Eigentümers, dass sein Hof ein Hof im Sinne der Höfeordnung ist und die Eintragung des Hofvermerks im Grundbuch (Höferolle) Voraussetzung. Ein Abweichen von der Höfeordnung ist heute problemlos möglich, es erfordert aber, dass der entsprechende Grundbucheintrag vor dem Eintritt des Erbfalls vom Eigentümer zur Löschung gebracht wird.

 

 

6.1.1.2.3 Kötner, Brinksitzer, Neu-, An- und Abbauer

 

Ein Hof, der nur wenig Land besaß und kein Meier war, wurde Kotsasse, Kötner oder Köther genannt. Oft besaßen die Köther nur Haus, Hof und Hausgarten sowie das Allmende-Nutzungsrecht.40 

 

Anbauer war man, wenn man ein Stück eines bestehenden Hofes mit einem neuen Hof besetzte.

 

Abbauer hatten ein Stück Land von einem Hof nur gepachtet.

 

Neubauer erhielten ein Stück Land aus der Allmende oder aus einer Teilung der herrschaftlichen

Flächen.

 

Brinksitzer hatten in der Regel kein Land, sondern nur eine Hausstelle mit einem Garten. Sie

wohnten „auf dem Brink“, also meist im Ort. Brinksitzer waren in der Regel auf Nebenerwerb

angewiesen.

 

1585 gab es 74 Kötner in den Orten, die das heutige Weyhe bilden.

 

  2 Kötner in Ahausen (H. Lange, C.Lakemann),

  5 Kötner in Dreye (Clawes , J. Stechmann, F. Dame, B. Reiners K.Schröder)

30 Kötner in Kirchweyhe,

12 Kötner in Sudweyhe,

  1 Kötner in Jeebel, (Wichmann)

  8 Kötner in Lahausen,

16 Kötner in Leeste ,

  0 Kötner in Erichshof,

 

also in Summe 74 Kötner in Weyhe.

 

Ein Kötnerhof bestand in der Regel nur aus dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude, während Meierhöfe auch weitere Häuslingshäuser auf der Hoffläche bauen ließen. In späteren Zeiten gab es allerdings auch auf Kötnerhöfen Häuslingshäuser.

 

 

6.1.1.2.4 Kleinbrinksitzer, Heuerlinge und Häusler

 

Kleinbrinksitzer, Heuerlinge bzw. Häusler hatten selbst weder Land noch Vieh – außer zum Selbstverbrauch. Sie spielten dennoch eine nicht unbedeutende Rolle in der Landwirtschaft – als billige Arbeitskräfte auf den Höfen, wo sie wohnten, oder als Handwerker für den landwirtschaftlichen Bedarf.

 

Das typische Häuslingshaus entspricht in der Bauart dem Kleinbauernhaus. Das Strohdach ist tief heruntergezogen. Das Häuslingshaus hat allerdings keine Einfahrtstür. Das Entladen nach dem Bodenraum erfolgt durch Luken.

 

Die Wohnräume haben niedrige Decken. Die Dielen sind 3 m hoch, damit dort mit dem Dreschflegel gedroschen werden kann.

 

Die Eingangstüren sind als einfache „Klaspentüren“ ausgelegt und meist zweiteilig. Die äußeren Fachwerke sind mit Buschwerk „verstakt“ und mit Lehm angeputzt. Alles übrige Holz ist Nadelholz. Die Bauausführung der Innenräume gleicht dem Kleinbauernhaus.

 

Oft waren Häuslingshäuser als „Tweepart-Hus“ gebaut, damit 2 Familien dort wohnen und sich selbst und eine Kuh und vielleicht ein Schwein versorgen konnten.

 

Häuslinge gehörten nicht zu den bäuerlichen Schichten. Sie hatten kein Eigentum, sondern wohnten in den Häusern des Bauern, teilweise in Nebengebäuden oder Backhäusern. Die Miete wurde durch Arbeitsdienst auf dem Hof abgegolten. Erst später konnten sie Eigentum erwerben, in dem sie das Haus und etwas Land vom Bauern kauften.

 

Auch Häusler mussten von einem Nebengewerbe oder von Tageslohn leben, den sie auf den Höfen für landwirtschaftliche oder handwerkliche Tätigkeiten erhielten.41

 

Was 1831 Gustav v. Gülich über die Verhältnisse im Fürstentum Calenberg schrieb, dürfte auch in Weyhe gegolten haben: „Die Änger [Allmenden] werden hier […] mit allen Arten von Vieh behütet, und zwar nicht nur mit dem der Bauern, sondern auch mit dem der Brinksitzer und Häuslinge. Die letzten würden [sonst] gar kein Vieh halten können, da sie demselben im Stalle nur sehr wenig Futter reichen können, indeß beschränkt sich der Viehbestand der Bewohner auf ein Schwein, ein paar Gänse und einige Hühner; wenn wir die Ziege ausnehmen, welche sich in den meisten kleinen Haushaltungen befindet, die jedoch nicht auf der Gemeinweide zugelassen wird.“42

 

 

Häuslingshaus des Hofes Brüning in Lahausen um 1910

Häuslingshaus des Hahnenfelder Hofes in Lahausen 1975 – kurz vor

dem Abriss

 

1.2.5 Das Leben der Dienstboten, Mägde und Knechte auf den Höfen

 

Die Arbeit auf den Höfen erforderte viele Hände. Da reichte oft die eigene Nachkommenschaft undVerwandtschaft nicht aus, und es wurden Mägde und Knechte beschäftigt.

 

  • Mägde mussten früher

o mit dem Joch die Milch nach Hause tragen

o bei der Verarbeitung der Milch helfen

o die Kühe melken

o Gäste im Haus bedienen

o Feld- und Gartenarbeiten ausführen

o Hilfe bei der Flachsverarbeitung leisten

o und sonst alle Arbeiten erledigen, die anfielen.

 

  • Knechte mussten

o Plaggen hauen

o Mist aufs Feld fahren

o Hilfe bei der Ernte leisten

o Korn dreschen mit Flegeln

o Hilfe leisten beim Dreschen mit der Dreschmaschine

o und sonst alle Arbeiten erledigen, die anfielen.

 

Knechte und Mägde erhielten einen Monatslohn, keinen Stundenlohn. Die Anzahl der Arbeitsstunden war nicht festgelegt und wurde nicht gezählt: Die anfallenden Arbeiten mussten erledigt werden. Welche das waren, bestimmte der Hofbesitzer.

 

Knechte und Mägde wohnten überwiegend mit auf den Höfen. Oft gab es eine Dachkammer für die Magd. Knechte schliefen auf den “Hillen” (anfangs) oder bei den Pferdeboxen beziehungsweise in den Schweineställen.43

 

Die folgende Liste zeigt die Anzahl von Dienstboten und Knechten auf den Weyher Höfen in den Jahren 1852 und 1861.44

Ortsteil Mägde Knechte Mägde Knechte Mägde Knechte
  /Vollmeier /Vollmeier /Halbmeier /Halbmeier /Kötner /Kötner
Ahausen 2 1 0-2 0-2 0-1 0-1
Sudweyhe 0-1 0-2 0-2 1 0-2 0-1
Jeebel            
Dreye 0-2 0-2 0-2 0-1 0-1 0-1
Kirchweyhe 0-2 0-1     0-1 0-2
Lahausen 2 2 1-2 1-2 2 1

 

1.2.6 Die Bauernhäuser

 

Hofbesitzer bauten ihre Wohn- und Wirtschaftsgebäude nach einem traditionellen Schema: dem Niedersachsenhaus. Dieser Haustyp vereinigte die Wohnungen der Hofbewohner mit den Viehställen.

 

Die Bauernhäuser sowohl der Meier als auch der Kötner, Anbauer und Brinksitzer waren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts als Niedersachsenhaus errichtet, auch als Fachhallenhaus bezeichnet:

 

Diese Hausform zeichnet sich durch dicke Ständer aus Eichenholz aus, mit heruntergezogenem Strohdach.

 

Niedersachsenhof in Lahausen45 (Hof. Nr. 1 – Sengstake-Niemeyer), 1940

Beispiel eines Niedersachsenhauses mit Flett, Diele, seitlichen Stallungen und den Wohnräumen (Grundriss)46

 

Die Wohnräume der Hofbewohner lagen also mit den Viehställen zusammen.

 

Das Flett diente dem Kochen, auf der Diele wurde gedroschen und das Futter für die Tiere bereitet.

 

Über den Viehställen war der Heuboden.

 

Schweinestall und Pferdestall waren nicht immer vor dem großen Tor angelegt, so dass ein Vorschauer nicht immer vorhanden war.


Zwei Typen sind dabei zu unterscheiden: Das Zweiständerhaus und das Vierständerhaus. Beim Zweiständerhaus mit zwei Reihen von Eichenbohlen, die die „Deelbalken“ und darüber das Dach tragen, sind die äußeren Seitenwände der Längsseiten angesetzt, während das Vierständerhaus auch in den äußeren Seitenwänden noch Ständerreihen hatten, also 4 Reihen Ständer. Die „Deelbalken“ und damit das Dach ruhten auf allen 4 Reihen.

Querschnitt durch ein Zweiständerhaus47

In Weyhe ist vorwiegend das Zweiständerhaus zu finden, und zwar meist als Kleinbauernhaus, das sich von dem des Großbauernhaus hauptsächlich durch die Ausmaße unterscheidet: Das Großbauernhaus war um die 25 m lang, während das Kleinbauernhaus zwischen 15 und 18 m Länge erreichte. Dessen Breite war mit 10 - 11 m ebenfalls kürzer als die des Großbauernhauses mit etwa 15 m. Es fehlen auch die halbhohen Giebel, womit beim Kleinbauernhaus die Giebel bis auf die Giebelbalken heruntergezogen sind, d.h. bis auf die „Neddendör“, das große Einfahrtstor der Diele.

 

Das äußere Fachwerk war anfangs mit Flechtwerk „ausgestakt“ und mit Lehm verputzt. Später wurden Fachungen mit Ziegeln ausgemauert.

Längsschnitt durch ein Niedersachsenhaus48

 

 

 

 

In den Aufzeichnungen der Ämter ist in früheren Jahrhunderten die Größe eines Bauernhauses in „Fach“ angegeben (neben dem Längenmaß „Fuß“). Mit „Fach“ wurde dabei der Zwischenraum zwischen den Ständern bezeichnet (siehe obige Zeichnung). Dieser Zwischenraum war in der Regel etwa 2,50 m breit. Ein Haus von „8 Fach“ hatte also eine Länge von ca. 20 m. Die Breite eines Hauses wurde in Fuß angegeben.

 

Das nächste Kapitel: Gemeinschaftlicher Besitz

 

 

Anmerkungen

1 Bettina Asch, Landwirtschaft und Ökologie um 1800, Historisches Museum Hannover, Museumspädagogische

Materialien: Landwirtschaft, Schule und Ökologie in den niedersächsischen Museen

2 Aus: Wikipedia Leibeigenschaft

3 Vgl. (Schacht, 1960) S. 109

4 Privatbesitz H.Greve, Sudweyhe

5 (Schacht, 1960) S. 104

6 Aus: Archiv Gemeinde Weyhe, H.Greve, Zusammenstellung zu: Hausgrundstück Dreier, Leeste, Hauptstraße 3

7 Vgl. (Weber, 2017) S.12

8 Vgl. Weber S.12 mit Verweis auf F. Niemeyer, Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya, Hannover 1862, S. 2 ff;

Die Verordnungen stammen aus den Jahren 1618 und 1691.

9 S. Urkunde N.68 (um 1187) im Bremer Urkundenbuch (Ehmck & von Bippen); außerdem: Urkunde über

Verzeichnis der Abgaben – Kreiszeitung: Beilage Weyher Wirtschaft 2006 sowie: Lutosch 1985, Ortsnamen

10 Bremer Jahrbuch; Band 33 (1931) II. Die Güterverzeichnisse des Ansgarikapitels in Bremen; F.Prüser, S.49 u.

Band 34 (1933) S. 25

11 Nach H.Greve – s. Kreiszeitung vom 19.11.2016

12 (Lappenberg, 1842) Hamburger UB Nr. CCLXXVII (277); s.auch (Ehmck & von Bippen) S. 82 Nr. 72

13 (Hodenberg, Hoyer Urkundenbuch, Band I (Hausarchiv), 1855) Heft V Hoyer Gerichte, Güter und Leute, S. 5

(Rolle 2): Eintragungen zwischen 1320 und 1380

14 "Winkel-Buch": Verzeichnis von Gütern des Ansgariikapitel in Bremen, 1585; St.A. Bremen Z 13, zitiert in C.H.

Hüchting, 900 J. Brinkum, S. 87

15 Vgl. "Winkel-Buch": Verzeichnis von Gütern des Ansgariikapitel in Bremen, 1585; St.A. Bremen Z 13, zitiert in

C.H. Hüchting, 900 J. Brinkum, S. 81

16 J.S.Putter, Auserlesene Rechtsfälle aus allen Theilen der in Teutschland üblichen Rechtsgelehrsamkeit in

Deductionen, rechtlichen Bedenken, Relationen und Urtheilen, I.-IV. Theil, 1768

17 Daten nach Häuserliste von J. Boyer

18 Entnommen aus H.Greve, Der Hof Heitmann-Warnken, Lahausen, unveröffentlichtes Manuskript 2017

19 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 44, S. 40-41 u. 55-147.

20 Vgl. H. Albert Oppermann, Sammlung der im Fürstenthum Lüneburg und in den Grafschaften Hoya und

Diepholz erlassene auf das Meierrecht bezüglichen Verordnungen, Anschreiben und Resolutionen, Nienburg

1854, S. 74-75; F. Niemeyer, Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya, Hannover 1862, S. 23 u. 43-44; Wilhelm

Röpke, Beiträge zur Siedlungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der bäuerlichen Bevölkerung in der

ehemaligen Grafschaft Hoya, in: Niedersächsisches Jahrbuch, Bd. 1 (1924), S. 1-96, hier S. 65-66.

21 Karl-Hans Hauptmeyer, S. 1124.

22 Entnommen aus H.Greve, Der Hof Heitmann-Warnken, Lahausen, unveröffentlichtes Manuskript 2017

23 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 33, S. 47, u. Celle Br. 72 Nr. 982.

24 Verordnung v. 29. Januar 1720, in: Ev.-luth. Pfarrarchiv Barrien, P.B. IV.1; auch in: HStAH, Hann. 74 Syke Nr.

414.

25 Vgl. HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 845.

26 Entnommen aus H.Greve, Der Hof Heitmann-Warnken, Lahausen, unveröffentlichtes Manuskript 2017

27 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 414.

28 Entnommen aus H.Greve, Der Hof Heitmann-Warnken, Lahausen, unveröffentlichtes Manuskript 2017

29 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 34, Bl 47R (alt: 53R).

30 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 33, S. 55, u. Nr. 49 (hier: Verzeichnis der Dienstpflichtigen 1659-1662); Hann. 88 B

Nr. 5633.

31 Wilhelm Röpke, S. 51.

32 Siehe für das 17. Jahrhundert u.a. HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 39 u. 40 (S. 69), für das 18. Jahrhundert HStAH,

Hann. 88 B Nr. 5633.

33 HStAH, Hann. 88 B Nr. 5633, Beschreibung des Dienstwesens im Amt Syke v. 15. April 1776, Bl. 15V u. 39V,

hier „Dorff Lahausen“, „Brincksitzer“ „Hermann Heidmanns Re[licta]“

34 HStAH, Celle Br. 72 Nr. 977 – zit. n. Wilhelm Röpke, S. 51.

35 HStAH, Hann. 74 Syke Nr. 47, S. 106-107.

36 Ev.-luth. Pfarrarchiv Heiligenrode, Rep. Az. 112.

37 HStAH, Hann. 88 B Nr. 5634.

38 Vgl. wikipedia, Artikel „Reichserbhofgesetz“ (Januar 2021)

39 Vgl. wikipedia, Artikel Höfeordnung (Dezember 2020)

40 Vgl. (Schacht, 1960) S. 105

41 Vgl. (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit, Band 4, 2020) S.9

42 Gustav v. Gülich, Über die Verhältnisse im Fürstentum Calenberg, Hannover 1831, S.3 (zitiert in:

Landwirtschaft und Ökologie 1800)

43 Vgl. Heimatblatt DH 5 / 2001 (Charlotte Homfeld)

44 Auswertungen der Urlisten von 1852 und 1861 für die Dörfer Ahausen, Dreye, Sudweyhe, Kirchweyhe,

Jeebel, Lahausen, (NLA HA Hann 74 Nr. 63 u. 77)

45 Foto: Böse

46 Landschaftsverband Weser-Hunte, Bauernhäuser in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser,

1.Auflage,

47 Zeichnung Hans Peters in: (Peters, 1947)

48 Zeichnung Hans Peters in: (Peters, 1947)