Seit ca. 1865 gibt es eine dampfgetriebene Mühle in Hagen. 1902 pachtet und 1906 kauft Diedrich Landwehr (Windmüller in Melchiorshausen) den Mühlenbetrieb auf der Anbauerstelle 30 von der Familie Dunkhase. Der schon vorhandene Dampfmühlenbetrieb wird erweitert, und bald schon werden eine Schrotmühle, eine Knochenmühle und eine Sägerei angetrieben.
Syker Zeitung v. 2.10.1909
1907: Die Hagener Dampfmühle Landwehr (ehemals Dunkhase) erzeugt Gleichstrom, der ab 1908 an die Nachbarschaft geliefert wird. Ab 1908 stellt die Dampfmaschine in der Landwehr'schen Mühle mittels einer Lichtmaschine Gleichstrom her, der auch an die Höfe in der Nachbarschaft geliefert wird. Landwehr gehört damit zu den ersten Stromlieferanten in Weyhe.
1913 gibt es neben der Mühle Landwehr in Hagen folgende Elektrizitätswerke auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Weyhe: Die Mühlen Dunkhase, Hüneke und Budelmann in Kirchweyhe: Der Hof Bösche in Ahausen, in Leeste (seit 1908 Landwehr in Hagen, die Leester Wassermühle, die Mühle Mühlenbruch; J.Eggers in Melchiorshausen; in Sudweyhe die Wassermühle Sudweyhe, Schlosser H.Warneke („Mekonikus“). In Erichshof hat Friedrich Meyer zunächst ein Windrad, dann einen Benzolmotor. Er versorgt damit die Nachbarschaft.
Über die Leester Anlage (gemeint ist wohl die Anlage der Mühle Mühlenbruch) wird im Februar 1909 Folgendes in der Syker Zeitung berichtet: 159 „ […] Erkundigungen, die über die Leester Anlage eingeholt wurden, lauten sehr günstig. Hier brennen über 2000 Lampen, daneben werden Häckselmaschinen, Dreschmaschinen, Ventilatoren usw. elektrisch betrieben. Die Unkosten der Beleuchtungskörper sind etwa gleich dem Petroleum. Bei den Dreschmaschinen wurden 15 [Pfennig] Strom für 100 Garben verbraucht.“
Die Landweh'sche Mühle in Hagen erzeugt bis 1921 Strom für den Eigenbedarf sowie für die angeschlossene Nachbarschaft. Dazu sind in einem Raum Blei-Batterien installiert, die den erzeugten Strom
speichern. Damit kann auch nachts und am Sonntag, wenn die Dampfmaschine ruht, Strom geliefert werden. An langen
Wochenenden (Weihnachten, Ostern) müssen die Müller Extra-Schichten einlegen, um die
Stromversorgung sicherzustellen.160
Das Foto der Mühle Landwehr von 1914 zeigt Stromleitungen an der Kirchweyher Landstraße (heutige
Hauptstraße). Es ist noch kein Transformatorenhäuschen vorhanden, wie auf späteren Fotos. Ab 1920 wurde
die Mühle von den Überlandwerken mit Strom versorgt.
Ab 1908 stellt die Dampfmaschine der Mühle Landwehr auch Gleichstrom her, der auch an die Nachbarschaft geliefert wird. Landwehr ist damit der erste Stromlieferant in Weyhe.
Das 1918 gegründete Überlandwerk Syke (Vorläufer der Hastra / heute: Eon-avacon) übernimmt die Stromversorgung für immer mehr Betriebe und Haushalte. Auch die Bahn ist jetzt schon ein Großabnehmer. Zahlreiche Strom-Genossenschaften werden gegründet und treten als Abnehmer auf. Neue Umspannwerke werden gebaut.
1919 wird in Leeste ein Arbeitsausschuss gebildet, der die Übernahme der Leitungsnetze der Elektrizitätswerke vorbereiten soll. In Hagen gründet sich 1920 eine "Elektrizitätsverwertungs-Genossenschaft". Im Vorstand sind die Landwirte Heinrich und Hermann Schierenbeck (gebürtig vom Hof Hagen 2) sowie Gastwirt Heinrich Lankenau (Hagen 14) und Brinksitzer Heinrich Niemeyer (Hagen 13).
Die Mühlenbesitzer fühlen sich übergangen und erheben Proteste (Sprecher Mühlenbruch aus Leeste). Es wird eine Elektrizitätskommission gegründet: Mitglieder: Ebeling/Bahn, Müller Landwehr/Hagen, Bauer Schwarze. Sulingen schließt sich 1920 an. Syker Zeitung v. 2.10.1920
Elektrizitätsverwertungsgenossenschaft Hagen
Gründung: 1920 Ende der Genossenschaft um 1972 ??
Vorstand: Heinrich und Hermann Schierenbeck, Heinrich Lankenau, Heinrich Niemeyer
1922 zeichnen ca. 120 Genossen Anteile der Genossenschaft.161
Die Statuten der Elektrizitätsverwertungsgenossenschaft von 1921 mit Nachtrag von 1922 definieren den gemeinsamen Bezug von elektrischem Strom von der Überlandzentrale als den Zweck des
Unternehmens.
Die einzelnen Paragraphen regeln die Aufnahme als Mitglied, die Aufgaben des Vorstands, des Aufsichtsrats und der Generalversammlung.
Die „Eintrittsgelder“ bemessen sich nach Größe der Grundstücke und der Größe der eingesetzten Motoren.
Der von der Überlandzentrale bezogene Strom wird zum vereinbarten Preis mit einem Aufschlag an die Mitglieder abgegeben. 162
Installationsvorschriften der Überlandwerke Syke regeln die Anschlüsse an das Niederspannungsnetz.163
Gründung der Hagener Elektrizitätsverwertungsgenossenschaft
[Syker Zeitung vom 2.10.1920]
Die Statuten von 1921. Mit Installationsvorschriften (Auszug)
Abbildung enthält auch Beispiel einer Stromabrechnung für das Jahr 1922/23 (Friedrich Hollwedel, Leeste 209]
Der Elektriker Hermann Schierenbeck (Hauptstraße 72, neben Gärtnerei Troue) ist selbst Vorstandsmitglied der Stromgenossenschaft und legt die Leitungen zu den Mitgliedern. Da er kein Spezialgerät besitzt, benutzt er ein Motorrad, um die Leitungen zu spannen.164
Hermann Schierenbeck (*1878 in Hagen, Hof Hagen 2) ging 1899 nach Amerika, zuerst nach New York und später nach San Francisco. Dort trat er in die Elektro-Firma Schmidt ein und lernte den Umgang mit elektrischem Strom kennen.
Er kehrte dann um 1906 als US-Bürger nach Leeste zurück und wandte seine Kenntnisse beim Aufbau eines Stromverteilungsnetzes in Hagen an. Er wartete die Dampfmaschine der Dunkhase’schen Dampfmühle und schloss die Nachbarschaft an den Stromgenerator an.
Hermann Schierenbeck eröffnete einen Elektro-Laden in dem Haus an der heutigen Hauptstraße 72, das er sich nach seine Rückkehr gebaut hatte. In dem Haus war auch ein kleiner Laden (etwa 4x4 m) vorgesehen, in dem er Elektro-Artikel und Elektro-Geräte verkaufte.
Der Leester Maler Heinrich Dietrich Schleede hielt 1939 das Geschäft von Schierenbeck in einem Ölgemälde fest.165
In dem kleinen Schaufenster rechts befand sich seine Ausstellung mit Elektrogeräten (überwiegend Elektro-Lampen). Es war der Wunsch des Eigentümers, auch mit auf dem Gemälde abgebildet zu werden.
Im Ersten Weltkrieg wurde Hermann Schierenbeck als US-Bürger nicht zum deutschen Militärdienst eingezogen.
Im Zweiten Weltkrieg nutzte Hermann Schierenbeck seine Englisch-Kenntnisse, um mit den einmarschierenden britischen Truppen zu verhandeln. Er hatte ein weißes Laken ins Fenster gehängt und sprach sie auf Englisch an. Er wurde nach seinem Gespräch nicht weiter behelligt. Einige unbelehrbare Leester warfen ihm dieses Verhalten als Schande vor. Dabei hat er vermutlich einigen das Leben gerettet.166
Hermann Schierenbeck starb 1970 167. Sein Sohn Hans Hermann sollte das Elektro-Geschäft fortführen, war jedoch schon mit 18 Jahren bei einem Motorrad-Unfall in Melchiorshausen gestorben, in der Nähe der Siemer-Eiche. Daher wurde um 1972 das Elektro-Geschäft geschlossen. 168
4.7.8.1 Der Leester Ortsteil Hagen
4.7.8.1.1 Lage und Namensursprung von Hagen
4.7.8.1.2 Die Entwicklung der Einwohnerzahlen in Hagen
4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 1-12
4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 13-43
4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 44 - Lage der Hofstellen
4.7.8.1.3.1 Hagen_2: Schierenbeck
4.7.8.1.3.2 Der Hof Hagen 3: Rose
4.7.8.1.4 Gewerbe auf dem Hagen
4.7.8.1.5 Stromversorgung auf dem Hagen
4.7.8.1.6 Hagen im Ersten Weltkrieg
4.7.8.1.7 Hagen im Zweiten Weltkrieg
4.7.8.1.7.1 Kriegsvorbereitungen
4.7.8.1.7.2 Kriegstote aus Hagen im 2. Weltkrieg
4.7.8.1.7.3 Bombentreffer und Kriegshandlungen
4.7.8.1.7.4 Das Zwangsarbeiter-Lager Hagen der Organisation Todt